Über die freche Jesus-Komödie „Das Leben des Brian“ haben sich in den Siebzigern viele Christen aufgeregt. Auch der Regisseur Jaco van Dormael treibt nun Späße mit Gott. Aber ist „Das brandneue Testament“ wirklich blasphemisch?

Stuttgart - Gott lebt! Das ist die gute, für gläubige Christen allerdings nicht spektakulär neue Nachricht. Aber Achtung, jetzt kommt die schlechte: Der Herr wohnt nicht im Himmelreich, sondern in einem hässlichen Betonklotz mitten im verregneten Brüssel. Und statt Rauschebart und Strahlenkrone trägt der Allmächtige (Benoît Poelvoorde) auch noch eine respektable Bierwampe unterm schweißfleckigen Feinripp-Shirt und Tennissocken zu Plastikschlappen.

 

Seine Frau (Yolande Moreau) und seine Tochter Ea (Pili Groyne) fürchten ihn, denn der heilige Vater ist ein cholerisches Arschloch. Der erwachsene Sohn J. C. (David Murgia) hat, wie wir aus der Bibel wissen, bereits die Wucht der väterlichen Autorität zu spüren bekommen. In geschrumpfter, meist regungsloser Form steht Eas großer Bruder nun, zum kitschigen Nippesfigürchen degradiert, auf dem Bücherregal im Kinderzimmer.

Gottes makabres Vergnügen

Ist das Blasphemie? Eine schamlose Respektlosigkeit gegenüber dem christlichen Glauben just zur Weihnachtszeit? Nein, es ist ein ziemlich witziges, klug durchdachtes Gedankenspiel, das der belgische Regisseur Jaco van Dormael in seiner Religionssatire „Das brandneue Testament“ entwickelt. Der Geschichte liegt das theologische Paradox zugrunde, dass ein liebender Schöpfer seinen Kreaturen kein irdisches Leid zumuten würde, angefangen bei Alltagspannen bis hin zu Kriegen und Hungersnöten. Eas Vater indes geißelt die Menschen per Computer mit kleineren und größeren Katastrophen zu seinem eigenen makaberen Vergnügen.

Ganz schön kühn, dieser Ansatz, könnte man meinen. Doch van Dormael ist nicht der Erste, der sich an eine freche Neuauslegung religiöser Themen und Fragen wagt. Als die Komiker der britischen Truppe „Monthy Python“ 1979 mit ihrer Bibelsatire „Das Leben des Brian“ eine anarchische Alternativ-Version der Passionsgeschichte in die Kinos brachten, löste der Film vor allem in den USA und Großbritannien eine hässlich geführte Kontroverse über Toleranz und Kunstfreiheit aus.

Damals echauffierte sich zum Beispiel der amerikanische Reverend Roger Fulton, die Mutter des falschen Messias Brian werde „von einem Mann in Frauenkleidern“ gespielt. Das könnte noch heute manchem bitter aufstoßen, wie der heftige Streit über den von Gender-Theorien beeinflussten Bildungsplan für unsere Schulen zeigt.

Zwischen Himmel und Waschsalon

Auch wenn van Dormael wesentlich subtilere Entlarvungsmittel als die britische Comedy-Truppe einsetzt, könnte er mit seiner Geschichte das religiöse Empfinden konservativer Christen doch mindestens genauso tief verletzen. Immerhin ist Gott hier eine manifeste Persönlichkeit, noch dazu ein verheirateter Vater von zwei Kindern und ein ausgemachter Macho, Proll und Haustyrann, der seiner Frau den Mund verbietet und die kleine Tochter züchtigt.

Er legt mithin ein Gebaren an den Tag, das frauenverachtend ist und vorsintflutlich erscheint. Aber eben nur erscheint, denn tatsächlich prägt das Patriarchalische ja bis heute das Miteinander der Christen nachhaltig nicht nur in dubiosen Sekten, sondern – großflächiger noch – in fundamentalistischen Glaubenszonen wie dem amerikanischen Bible-Belt.

Die Sterbedaten aller Menschen

Vielleicht fantasiert sich van Dormael deshalb lustvoll, frei und zeitgemäß die Emanzipation der Tochter Gottes herbei. Der Film erzählt das clever als heutiges Märchen: Nicht mittels unbefleckter Empfängnis kommt Ea zur Welt, sondern mittles eines Verbindungstunnels zwischen der himmlischen Waschmaschine im Haus ihres Vaters und der irdischen in einem Brüsseler Waschsalon. Vorher hat die Kleine noch den Zentralrechner ihres Vaters gehackt und sämtlichen Erdbewohnern deren Sterbedatum per SMS mitgeteilt, eine Guerilla-Aktion, die als „Death-Leaks“ berühmt wird.

Statt aber weiter biblische Motive und Dogmen satirisch zu hinterfragen, kehrt van Dormael spätestens mit Eas Reise durch Brüssel wieder auf konventionellere Erzählpfade zurück. Wenn das Mädchen mit Hilfe sechs neuer Apostel versucht, ein eigenes Testament zu verfassen, geht es letztlich um die alte, universelle Frage, was Glück bedeutet. Eas Mitstreiter nämlich sind Verlierertypen, die durch ihre Mitwirkung am brandneuen Testament ihren Platz in der Welt finden wollen.

Ein Platz für den Gorilla

Die grimmige Ironie des Anfangs weicht jetzt einer lockeren Fabulierlust. Manch absurde Episode – die einsame Martine (Catherine Deneuve) wählt sich einen Gorilla zum Liebhaber – ist zwar ungeheuer lustig, unterläuft aber die subversive Perspektive des Auftakts. Dass auch Frauen große Taten vollbringen können, ist zwar nichts Neues, als Eas Testament aber eine hübsche, versöhnliche Schlusspointe.

Das brandneue Testament. Belgien, Frankreich, Luxemburg 2015. Regie: Jaco van Dormael. Mit Benoît Poelvoorde, Yolande Moreau, David Murgia, Catherine Deneuve, François Damiens. 115 Minuten. Ab 12 Jahren.