Menschen im Aquarium sind nicht das einzig Verrückte, das der 26. Stuttgarter Filmwinter zu bieten hat. Von Donnerstag bis Sonntag gibt es im Wilhelmspalais Film, Video, Musik, Medien im Raum, Network Culture, Workshops sowie ein Programm für Kinder und Jugendliche.

Stuttgart - Dieser Hammer ist garantiert nicht zum Nageleinschlagen da. Das Mädchen, das ihn in der Hand hält, schaut im französischen Kurzfilm „Tania“ so um eine Häuserecke auf ein paar junge Männer, die markig im Wohnblockhof herumlungern, dass klar wird: hier sinnt eine auf Rache, hier will eine Schmerz zufügen.

 

Aber dann kommt in diesem zwanzigminütigen Spielfilm von Giovanni Sportiello doch alles anders. Eine ältere Frau stürzt zwischen den Häusern und schafft es nicht wieder auf die Beine. Die junge Tania muss sich plötzlich entscheiden zwischen der extremen Reaktion auf eine selbst erlittene Kränkung und der Hilfe für andere.

Das wird viel klüger und intensiver abgehandelt, als es jetzt klingen mag. Womit der am Donnerstag um 21 Uhr zum Wettbewerbsauftakt des 26. Stuttgarter Filmwinters zu sehende „Tania“ die einzige Sparte Film repräsentiert, die man auf dem „Festival for Expanded Media“ eventuell nicht erwarten würde: Erzählkino ohne jedes postmoderne Hintertürchen. Die Festivalmacher vom Verein Wand 5, die dieses Jahr im zwischengenutzten Wilhelmspalais gastieren, umreißen ihr Programmangebot so: Film, Video, Musik, Medien im Raum, Network Culture, Workshop sowie ein Programm für Kinder und Jugendliche. Kenner dieses seit eh und je der Grenzüberschreitung und Normhinterfragung verschriebenen Festivals würden in Gedanken und Klammern vielleicht jeweils „experimentell“ hinzufügen. Das ist der Tendenz nach richtig, muss aber im Einzelfall nicht zutreffen. In Zeiten unzähliger ironischer, aggressiver, radikaler Attacken auf den Wahrheitsanspruch von Filmbildern auf vielen Youtube-Videokunstkanälen kann das ernsthaft und klar Durcherzählte bereits wieder für sich in Anspruch nehmen, eine aufregende Außenseiterposition zu vertreten.

Vielfach preisgekrönt

In den sieben Wettbewerbsprogrammen, die von Donnerstag bis Sonntag im Max-Bense-Saal der ehemaligen Stadtbücherei gezeigt werden, kann man allerdings wie gewohnt schlichtweg alles finden. Neben dem Dramatischen ist das frech Witzige vertreten und das befremdlich Abstruse, das abgefeimt Kluge und das avantgardistisch Gespreizte, das reuelos Durchgeknallte und das glaszart Esoterische.

Der 17-minütige, bereits vielfach preisgekrönte Animationsfilm „Oh Willy“ (Freitag, 22 Uhr) von Emily De Swaef und Marc James Roels aus Belgien ist zum Beispiel ein Meisterstück des schwarzen Humors. Wobei hier nicht gegen das gezeigte Kleinbürgerleben gelacht und gehöhnt wird, sondern eher gegen das Fehlurteil, das kleine Leben sei frei von großer Erschütterung und Tragik. „Apnoe“ von Harald Hund aus Österreich zeigt ebenfalls den bürgerlichen Heldenalltag, aber in brillanten Bildern unter Wasser. Alle sitzen und gehen mit nach oben wehenden Haaren in einem als Wohnung ausgestalteten Großaquarium, beim Reden blubbern ihnen die Luftblasen aus dem Mund.

Neben dem Filmwettbewerb gibt es auch dieses Jahr den Wettbewerb der Medien im Raum und die nun „Network Culture“ genannte Sektion mit Arbeiten, die das Internet und die sozialen Netzwerke anders als nach den Klicken-und-Kaufen-Regeln der Webshops und den Gefällt-mir-Vereinfachungen von Facebook aufzäumen. Die Beiträge zu beiden Wettbewerben sind ebenfalls im Wilhelmspalais zu sehen.Im Haus der Geschichte dagegen ist die Werkschau der politischen, oft mit der Verfremdung von Dokumentarmaterial arbeitenden Animationsfilmerin Martha Colburn aus USA untergekommen. Wer die Bildwelt der immer wieder auch auf dem Internationalen Trickfilmfestival vertretenen Colburn noch nicht kennt, kann sich auf ihrem eigenen Youtube-Kanal einen Vorabeindruck verschaffen.

Partys und Konzerte

Partys und Konzerte gehören ebenfalls zur Filmwinter-Tradition. Am Freitag um 23 Uhr beispielsweise wird im Wilhelmspalais die Musikperformance „Grande Mondschein Promenade“ der Gruppe The Baijkonour Ghost geboten. Die besteht aus Mitgliedern der Stuttgarter Bands Navel und Krautheim. Die Veranstalter versprechen „eine rätselhafte Darbietung zwischen Leichtigkeit und Schwere“. Was man natürlich als Gesamtmotto aller Filmwinter verstehen darf.