Ein Landwirt aus Eritrea hat Ärger mit dem deutschen Fiskus. Wegen mangelnden Deutschkenntnissen hat er Fristen versäumt und soll nun viel Geld nachzahlen. Doch er hat deutsche Helfer gefunden.
Markgröningen - Es ist schade, dass Amare Desta keine E-Mails empfangen kann und keinen Telefonanschluss hat. Wenn der 84-jährige Landwirt aus Eritrea wüsste, wie viel Solidarität und Hilfsbereitschaft er im fernen Deutschland erfährt, dann würde er sich vermutlich freuen. Und: er wäre sicher auch ein bisschen beschämt. Aus Sicht des deutschen Fiskalstaates ist Amare Desta ein Steuersünder. Doch für viele Leser unserer Zeitung ist der 84-Jährige ein unschuldiges Opfer der Bürokratie.
Im Frühjahr 2013 hatte das für ausländische Rentner zuständige Finanzamt Neubrandenburg Desta schriftlich mitgeteilt, dass er 766 Euro Steuern nachzahlen müsse – andernfalls drohten ihm „kostenintensive Vollstreckungsmaßnahmen“. Die Forderung hat zwei schlichte Gründe: seit 2005 müssen Auslandsrentner in Deutschland eine Steuererklärung abgeben. Also auch Amare Desta, der in seiner Zeit als Kriegsflüchtling einige Jahre bei einer Presserei in Markgröningen gearbeitet hat. Dafür erhält er eine monatliche Rente von rund 100 Euro – ein anständiges Grundeinkommen für einen Eritreer.
Mangelnde Sprachkenntnisse werden ihm zum Verhängnis
Doch Grund Nummer zwei wurde ihm zum Verhängnis: Amare Desta spricht heute, zehn Jahre nach seiner Rückkehr, kaum noch deutsch. Also verstand er auch die in Beamtensprache verfassten Mahnungen aus Neubrandenburg nicht. Er konnte nicht erklären, dass seine Rente unter dem steuerpflichtigen Satz liegt. Und auch die Androhung des Finanzamts, ihm bei weiterer Nicht-Kooperation die Rente zu pfänden, verstand Amare Desta nicht wirklich.
Als Freunde ihn besuchten, erfuhr unsere Zeitung – und die Öffentlichkeit – von der Sache. Vermutlich wäre es für Amare Desta gar keine so große Überraschung, dass er infolgedessen viele Verbündete in Deutschland hat. Immerhin hat er es in Erinnerung als das Land, das ihm Zuflucht gewährte, als seine Heimat Mitte der 80er Jahre im Kriegschaos zu versinken drohte. Und als Land, in dem ihm ein Firmenchef eine Flasche Sekt zum Geburtstag schenkte, weil er stets fleißig und zuverlässig war.
Mehr Aufwand, als Ertrag?
Nachdem unsere Zeitung im Frühsommer von dem Steuerflüchtling wider Willen berichtete, trafen außerordentlich viele Leserzuschriften in der Redaktion ein. Etliche Leser erklärten sich bereit, den Landwirt zu unterstützen, viele davon boten sogar an, seine (angeblichen) Steuerschulden zu übernehmen. Edda Epple aus Stuttgart schrieb gar direkt an das Finanzamt Neubrandenburg, mit der Ankündigung, die ausstehende Summe direkt zu überweisen. „Ich gebe zu, dass dies für Sie einen etwas ungewöhnlichen Vorgang im Behördenalltag bedeutet, möchte mir aber zugestehen, mich von einem Einzelschicksal berühren zu lassen “, teilte sie der Behörde mit. Er sei sich „sicher, dass die Aufwendungen des Finanzamts die einzutreibenden 766 EUR bereits deutlich übersteigen“, schrieb Marcel Lutz aus Gerlingen.
Doch finanzielle Hilfe für Amare Desta war bislang noch nicht nötig. Nach dem Zeitungsbericht hat Rolf Kummer, Steuerberater in Ludwigsburg, die Dinge in die Hand genommen. Auf Vermittlung eines Freundes des 84-Jährigen bekam Kummer die Vollmacht über all seine steuerlichen Belange in Deutschland. Er hat beantragt, dem vermeintlichen Steuerflüchtling die Schulden zu erlassen – zumindest in Zukunft. Nun ist die Sache in Bearbeitung. Aber vielleicht wird Amare Desta die Solidarität aus Deutschland noch brauchen – auch, wenn er noch nichts davon weiß.