Beim Poker um den Länderfinanzausgleich haben sich die 16 Bundesländer überraschend geeinigt. Sie wollen das bisherige System abschaffen und erhoffen sich mehr Geld vom Bund. Doch Berlin reagiert erst mal kühl.

Die Ministerpräsidenten haben sich überraschend auf einen gemeinsamen Kurs bei der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verständigt. „Die Länder haben bei diesem sehr schwierigen Thema ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Falls der Bund den Vorschlag akzeptiert, würde dies bedeuten, dass Baden-Württemberg um 944 Millionen Euro jährlich entlastet wird. Baden-Württemberg hat als Geberland stets gefordert, dass es einen größeren Anteil vom Steuerkuchen behält. Kretschmann und Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagten, es habe sich gelohnt, auf eine Verhandlungslösung zu setzen. Die Länder wollen erreichen, dass sie von 2020 an um 9,7 Milliarden Euro entlastet werden. Allerdings nahm Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Vorschlag kühl auf. Sie sagte, das Konzept müsse erst geprüft werden. Offenbar befürchtet der Bund, dass der Kompromiss zu seinen Lasten geht.

 

Finanzausgleich wird abgeschafft

Der gemeinsame Vorschlag der Länder ist weitreichend und geht auf ein Modell der unionsgeführten Länder zurück. „Der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form wird abgeschafft“, heißt es in dem Beschlusspapier der Ministerpräsidenten. Damit geht eine zentrale Forderung der großen Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen in Erfüllung. Allerdings wird es auch künftig so sein, dass die starken Länder den schwachen finanziell unter die Arme greifen. Dies geschieht aber nicht mehr über den eigentlichen Länderfinanzausgleich, sondern über die Verteilung der Umsatzsteuer. Wie viel ein Land in Zukunft vom Umsatzsteueraufkommen erhält, richtet sich nach der Einwohnerzahl. Daneben gibt es Zuschläge für finanzschwache und Abschläge für reiche Länder. Die Länder erhalten vom Bund zusätzliche Umsatzsteuerpunkte im Gegenwert von rund vier Milliarden Euro. Darüber hinaus stellt der Bund weiter Mittel zur Verfügung, etwa über besondere Zuweisungen.

Auch die reichen Länder müssen Kröten schlucken. So soll die kommunale Finanzkraft künftig zu 75 Prozent in den Ausgleich einbezogen werden. Das belastet Länder wie Baden-Württemberg, die finanziell solide Städte und Gemeinden haben. Dennoch ist Kretschmann mit der Lösung zufrieden. Beim Konzept der Länder handelt es sich um einen gemeinsamen Vorschlag, der Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf einem Treffen im Kanzleramt vorgestellt worden ist. Der Bund muss noch zustimmen.

Länder pokern mit dem Bund

Die Länder überschreiten mit ihrem Vorschlag das letzte Angebot des Bundes. Die Ministerpräsidenten argumentieren jedoch, Grund dafür seien die unterschiedlichen Bezugszeiträume. Die Länderchefs kalkulieren – ausgehend von den erwarteten Steuereinnahmen im Jahr 2019 – mit einer Entlastung von 9,7 Milliarden Euro. Schäuble hatte zuletzt angeboten, den Ländern 8,5 Milliarden Euro nach 2019 zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Schäuble hatte mehrfach betont, dies sei das letzte Angebot des Bundes.

Die Länder sind aber zuversichtlich, dass der Bund auf ihre Offerte eingeht. Die Bundesregierung müsse anerkennen, dass sich alle 16 Länder einig seien, sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Nachdem anfangs die ostdeutschen Länder befürchtet hatten, sie kämen zu kurz, sei mit dem gemeinsamen Modell nun sichergestellt, dass alle Länder künftig mehr Geld bekämen. Die neuen Länder sollen besondere Bundeszuweisungen erhalten. Die finanzschwachen Länder Saarland und Bremen können Sanierungshilfen von insgesamt 800 Millionen Euro erwarten. Der Bund will zusätzliche Hilfen an die Länder finanzieren, indem er einen Teil der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag („Soli“) an die Länder abgibt. Der Soli steht dem Bund bisher allein zu, es fließt jedoch ein von Jahr zu Jahr sinkender Teil an die neuen Länder. Die große Koalition hat versprochen, den Soli schrittweise von 2020 bis 2030 abzuschmelzen. Dies würde bedeuten, dass die Steuerzahler von Jahr zu Jahr weniger Soli zahlen müssen.