Kann der CDU-Fraktionschef Stellvertreter des Oberbürgermeisters werden, wenn er seinen Chef öffentlich für unfähig erklärt?

Stuttgart - Die Entscheidung von Finanzbürgermeister Michael Föll, das Rathaus Anfang 2019 in Richtung Kultusministerium zu verlassen, hat in der CDU eine Schockwelle ausgelöst. Damit hatte niemand gerechnet. Beim Kreisparteitag vor zwei Wochen hatte Föll in der ersten Reihe gestanden und Fraktionschef Alexander Kotz Beifall gezollt, nachdem der zum Spitzenkandidaten für die Kommunalwahl gewählt worden war. In diesem Moment wusste Föll schon, dass die mühsam erstellte Liste bald Makulatur sein würde: Die CDU hat das Vorschlagsrecht für seinen Posten, und kein anderer als Alexander Kotz würde darauf Anspruch erheben und sich von der Liste streichen lassen.

 

Zwar hat sich der 48-jährige Kreishandwerksmeister eine Bedenkzeit erbeten. Dass er einmal bis Wochenanfang, ein andermal bis Mitte der Woche überlegen wollte, ob er sich zutraut, den Konzern Stadt zu führen, deutet darauf hin, dass er sich bereits dazu entschieden hat. Dafür spricht auch der Auftritt unter Stadtratskollegen am Donnerstag. Nicht den Hauch eines Zweifels sei zu spüren gewesen, dass der Posten anderweitig besetzt werden könnte, heißt es. Andere wollen diese Eindeutigkeit nicht vernommen haben, glauben aber daran, dass er seinen Hut in den Ring werfen wird. Man hört allerdings auch, dass Stadträte im Rathaus darauf angesprochen werden, ob sie ihrem Vorsitzenden überhaupt zutrauen, die Finanzen und die Beteiligungsgesellschaften im Griff zu behalten und schon im April 2019 die Budgetgespräche für den Doppelhaushalt zu führen. Föll habe ein unglaubliches Detailwissen, auch dessen Vorgänger Klaus Lang sei ein ausgewiesener Verwaltungsfachmann gewesen. Die Haltung in der Fraktion ist ambivalent.

Kotz traut sich die Föll-Nachfolge zu

Föll traut Kotz die Nachfolge zu, und Kotz traut sie sich auch zu. Er verweist auf seine Affinität zu Zahlen und die beiden Haushalte, die seine Handschrift tragen würden. Die fehlende Qualifikation als Finanzexperte im öffentlichen Dienst ist kein Hinderungsgrund. Es reicht heute, wenn ein Mitarbeiter der Kämmerei eine entsprechende Ausbildung nachweisen kann.

Der CDU-Fraktionschef hat darauf hingewiesen, zuerst mit OB Fritz Kuhn (Grüne) Kontakt aufnehmen und ihn fragen zu wollen, ob dieser sich eine Zusammenarbeit vorstellen könne. Man erinnert sich an Alt-OB Manfred Rommel (CDU), der einst seinen Parteifreund Clemens Winckler mit dem Hinweis als Sozialbürgermeister verhinderte, dann gebe es nach einer Stunde Mord und Totschlag. Kotz hält das Verhältnis zu Kuhn für intakt, man schätze und respektiere sich. Doch da sind die ständigen Verbalattacken gegen den OB. Bei seiner Rede beim Kreisparteitag hatte Kotz getönt: „Kuhn kann Großstadt nicht, und die linke Ratsmehrheit will Großstadt nicht.“ Von Grünen und SPD hat der CDU-Chef keinen Widerstand zu erwarten, trotz Wahlkampf. SÖS/Linke-plus wollen dagegen dem Finanzbürgermeister die Zuständigkeit für die Liegenschaften und das Wohnen nehmen.

Spitzenkandidat wurde separat gewählt

Wechselt Kotz auf die Verwaltungsseite, bekommt die CDU das nächste Problem: Beim Kreisparteitag war der Spitzenkandidat für die Kommunalwahl separat gewählt worden. Kreischef Stefan Kaufmann, der im Bundestag sitzt, sagt zwar, man müsse erst Anfang April die Liste mit den Ratskandidaten abgeben. Man überlege noch, wie man verfahre. Um eine Neuwahl wird er aber nicht umhinkommen. Alle Kandidaten einen Platz aufrücken zu lassen, womit die Fraktionsvize Beate Bulle-Schmid zum Zugpferd für die Union würde, ist schwer vorstellbar. Zum Gesicht der Partei wird man gewöhnlich nicht deshalb, weil ein anderer ausfällt.

Wer folgt auf Kotz als Fraktionschef? Die Union gilt nicht als Talentschmiede. Es fallen einem nur der seit 14 Jahren im Rat sitzende Jürgen Sauer sowie Thomas Fuhrmann und Carl-Christian Vetter ein; ob sie einen Fulltime-Job im Rathaus auf Ehrenamtsbasis übernehmen würden, wird sich weisen, wenn die Bürgermeisterfrage geklärt ist. Mit Fred-Jürgen Stradinger und Iris Ripsam sitzen zwei Ex-Vorsitzende in der Fraktion. Stradinger war vor acht Jahren ins zweite Glied komplimentiert worden, er wird nicht mehr gehandelt.

Ripsam war im Jahr 2009 die Schlappe bei der Kommunalwahl angelastet worden. Das Milliardenprojekt S 21 und die Bankenkrise hatten sie das Amt gekostet. Mit Ripsam, die in der abgelaufenen Legislaturperiode für CDU-Landeschef Thomas Strobl in den Bundestag nachgerückt war, ist allerdings immer zu rechnen.