Die Meinungen darüber, ob Startup-Kapital in Baden-Württemberg nun leicht oder schwer zugänglich ist, gehen auseinander. Optimisten und Pessimisten reden aber letztlich über Äpfel und Birnen. Eine Analyse.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Baden-Württemberg ist ein gut finanzierter Startup-und Gründerstandort. Es gibt vielfältige Institutionen, staatliche Förderprogramme und Förderkredite. Ein Netz an wohlhabenden, regionalen Investoren und „Business Angels“ kennt sich insbesondere mit Ideen rund um die Produktion und das Thema Industrie 4.0 aus. Es gibt Konzerne und Erstkunden, die den Start erleichtern.

 

Fazit: Im Südwesten gibt es genügend Geld. Es ist eher diskretes Kapital – das deshalb manchmal unterschätzt wird. Ein besonders selbstbewusster Vertreter dieser Interpretation ist beispielsweise der L-Bank Chef Axel Nawrath: „In fünf Jahren etwas zu verkloppen und reich werden zu wollen, das bringt niemand etwas,“ sagte er einmal auf einer Podiumsdiskussion in Stuttgart über die angelsächsische Investmentkultur.

Startup-Kapital in Baden-Württemberg zeigt Licht und Schatten

Nein, Baden-Württemberg ist ein provinzieller Startup-Standort. Wer eine Idee hat, welche die hiesigen Branchen sprengt, hat es enorm schwer, Finanziers zu finden, die in den nötigen Dimensionen denken, wenn es einmal um richtig viel Geld geht. Insbesondere für ausländische Investoren ist der Südwesten unbekanntes Terrain.

Ein Gründer, der auf die Weltbühne will, der geht irgendwann einmal weg oder wird weggekauft. Vielleicht nach Berlin, wenn er den Konsumentenmarkt im Blick hat. Oder in die USA, wenn er ein IT-Revolutionär ist.

Vor kurzem hat der international agierende Risikokapitalinvestor Alex Rauschenbusch in einem Streitgespräch die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut mit einem harschen Urteil erschreckt. „Beim Thema Sichtbarkeit für internationale Investoren vergebe ich eine fünf oder sechs“, sagte er im Februar diesen Jahres.

Zwei Vorstellungen vom Standort

Was stimmt denn nun? Die Antwort ist ganz einfach: Beides. Wenn es um die Entwicklungsmöglichkeiten für Startups und vor allem den Zugang zu Kapital gebt, prallen immer noch zwei Vorstellungen von Baden-Württemberg aufeinander.

Die eine betont die enorme Kompetenz im Produktionsbereich, die globalisierungserfahrenen Spezialisten, die ihre Nischen auf dem Weltmarkt zu finden und zu verteidigen wissen. Wer hier im Südwesten schnell Kunden und Partner findet, der findet auch Finanziers. Das sind nicht unbedingt die großen Risikokapitalinvestoren, die den öffentlichen Auftritt lieben. Aber es sind auch keine Geldgeber, die auf den schnellen Ausstieg und auf goldene Börsenerlöse schielen, sondern oft langjährige, verlässliche Partner.

Aus der anderen Perspektive ist zweifelhaft, ob dies reicht. Der Kampf um die technologischen Plattformen der Zukunft findet heute in großen Dimensionen statt. Ob Künstliche Intelligenz oder Blockchain – der Fortschritt ist rasant. Es geht dabei nicht um Nischen, sondern oft um – wie es im Silicon-Valley-Jargon heißt – im wahrsten Sinn um die Weltherrschaft. Baden-Württemberg braucht sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, wenn es um Strategien und Finanzierungsmodelle geht, welche die bestehenden Stärken bewahren helfen. Künftige Mittelständler zu schaffen, kann eine Säule für die wirtschaftliche Zukunft sein. Aber eben nur eine.

Es fehlt noch an Internationalität

Um die Defizite zu benennen, braucht man nicht gleich auf die Ergebnisse einer jüngsten Studie zu schielen, die dem Südwesten beim Thema staatlich finanziertes oder gestütztes Risikokapital auf dem viertletzten Platz der deutschen Bundesländer verortete – weniger als ein dreißigstel des Volumens von Nordrhein-Westfalen. Es ist nämlich durchaus umstritten, ob derartige staatliche Unterstützung wirklich der Schlüssel dazu ist, wenn es um größere Investitionssummen und die Reaktion auf dynamische, technologische Entwicklungen geht. Der relativ kleine Risikokapitalfonds des Landes ist nicht Ursache des Defizits – aber er ist ein Symbol.

Es fehlt bisher vor allem an Internationalität, um an größere Summen Startup-Kapital in Baden-Württemberg heranzukommen. Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut hat erkannt, dass es mehr Außenwirkung für Investoren braucht. Auch andere Initiativen wie die Plattform Venture Zphere der Börse Stuttgart versuchen die regionalen Grenzen zu sprengen. Projekte wie die Startup Autobahn haben für Startups schon die internationale Sichtbarkeit erhöht. Die Investoren sind hier aber nicht im Mittelpunkt.

Das Idealbild des künftigen Mittelständlers

Das Ideal vom künftigen Mittelständler mag zur bestehenden südwestdeutschen Kultur passen. Dies ist und bleibt auch ein Innovationszweig, der für Baden-Württemberg prägend ist. Frühförderung, Innovationsgutscheine, Preisgelder – hier braucht sich Baden-Württemberg nicht zu verstecken. Übrigens auch nicht bei den Investitionen in innovative Mittelständler. Der von der Förderbank L-Bank mit aufgelegte Fonds LEA Mittelstandspartner beispielsweise ist mit einem Finanzierungsvolumen von 200 Millionen Euro in Deutschland eine Nummer.

Aber im Wettbewerb der IT-Plattformen ist die Welt das Spielfeld. Es gilt, sehr schnell zum dominanten Anbieter zu werden. Und das geht nicht in den traditionellen Dimensionen der baden-württembergischen Investoren- und Förderkultur. Hier braucht es Geld, Expertise und Ehrgeiz von außerhalb, vor allem auch von außerhalb Deutschlands. Von einem zweiten SAP sollte man auch in Zeiten der Hochkonjunktur träumen.

Äpfel oder Birnen? Kein Entweder-Oder

Die beiden Lager, die Optimisten und Pessimisten im Urteil über das Startup-Kapital in Baden-Württemberg sollten erkennen, dass sie zwei Seiten derselben Medaille betrachten. Wollen wir nun Äpfel oder Birnen? Bewährtes und Neues, mit beidem muss Baden-Württemberg die Zukunft suchen. Zu viel Selbstzufriedenheit ist dabei gefährlicher als Kritik, die mal über das Ziel hinausschießt.

Es reicht einfach nicht, die teils deutlich höheren Beträge an Risikokapital, die etwa in Berlin und großen europäischen Metropolen zu mobilisieren sind, mit dem Kommentar zu versehen, dass viele der dortigen Startups doch weniger solide seien und dass man im Land halt andere Stärken habe. Der Südwesten hat eine stabile Wirtschaftsstruktur und etablierte Leuchttürme wie die Autobranche. Aber wollen wir uns auf Dauer darauf verlassen? Wir brauchen das ganz Neue – und das benötigt Kapital in anderen Dimensionen als es die bisherigen Strukturen bieten.