Die Millionenbürgschaft für die in der Notfallhilfe engagierten Björn-Steiger-Stiftung wirft viele Fragen und Widersprüche auf.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Wenn die Landespolitik über Finanzhilfen entscheidet, geschieht dies normalerweise unter größter Diskretion; die Öffentlichkeit wird darüber entweder gar nicht oder nur knapp informiert. Doch bei der Bürgschaft über 1,5 Millionen Euro für die Björn-Steiger-Stiftung, die der Wirtschaftsausschuss des Landtags am 10. November abgesegnet hat, ist vieles nicht normal. Erst gab die Vorsitzende Veronika Netzhammer (CDU) offen zu erkennen, mit welchem Unbehagen die schwarz-gelbe Mehrheit die Garantie zulasten der Steuerzahler genehmigt hat: "Die Entscheidung fiel den Abgeordneten ... nicht leicht", gestand sie per Pressemitteilung, zumal es neben betriebswirtschaftlichen Aspekten um "wichtige Fragen der Notfallrettung" gegangen sei. Dann distanzierte sich die Opposition öffentlich von dem Mehrheitsvotum. Die Ausfallbürgschaft sei der "falsche Weg", monierten SPD und Grüne in einer gemeinsamen Erklärung. Den Weiterbetrieb der Notruftelefone solle das Land besser mit einem direkten Zuschuss sichern.

Die Verlautbarungen von Befürwortern und Gegnern sind genauso ungewöhnlich wie die Bürgschaft selbst. Wohl zum ersten Mal, so erinnern sich altgediente Parlamentarier, war über eine Finanzhilfe nicht für ein in Not geratenes Unternehmen, sondern für eine karitative Organisation zu entscheiden. Die Retter der in der Notfallhilfe engagierten Steiger-Stiftung müssen selbst gerettet werden - diese Situation war neu für Regierung, Landtag und die für die Abwicklung zuständige L-Bank. Wie schwer sie sich damit taten, zeigt die monatelange Verzögerung; mehrfach wurde das Thema vertagt. Aber immer noch gibt es offene Fragen und divergierende Darstellungen - über den Grund der Notlage, das Ziel der Hilfe und die Bedingungen dafür. Selbst dem federführenden Finanzministerium war erkennbar nicht ganz wohl bei der Aktion: Es drohten "erhebliche Ausfallrisiken", warnte es die Abgeordneten, die Bürgschaft sei gerade "noch vertretbar".

Ursache des Engpasses unklar


Unstrittig scheint nur, dass die Steiger-Stiftung kurz nach ihrem 40-Jahr-Jubiläum mit Liquiditätsproblemen kämpfte. Einen Betriebsmittelkredit über drei Millionen Euro wollte die Hausbank indes nicht ohne die zusätzliche Sicherheit einer Ausfallgarantie bereitstellen. In einigen Jahren soll sich die Hilfsorganisation dank der Überbrückung wieder eigenständig finanzieren können. Doch schon über die Ursache des Engpasses gehen die Ansichten auseinander. Siegfried Steiger, der 80-jährige Gründer, und sein Sohn Pierre-Enric, seit Jahresbeginn hauptamtlicher Präsident, sehen sie letztlich in einer ungerechtfertigten Steuerforderung, die die Stiftung vor Jahren in schwere Turbulenzen stürzte. Der Streit mit dem Fiskus habe "einen Kapitalschaden in zweistelliger Millionenhöhe angerichtet", sagt der Senior. Insofern sei der Staat moralisch in der Pflicht, nun zu helfen - eine Art Wiedergutmachung.

Doch von dem Steuerstreit ist in der offiziellen Begründung des Landes mit keiner Silbe die Rede. Dort wird vor allem auf das Ende der Zusammenarbeit zwischen der Steiger-Stiftung und der einst ebenfalls von Siegfried Steiger gegründeten Deutschen Rettungsflugwacht (heute: DRF Luftrettung) abgehoben. Lange Jahre kooperierten die - rechtlich stets unabhängigen - Schwesterorganisationen eng und vertrauensvoll. Doch im Zuge einer Umstrukturierung nabelten sich die Luftretter im Jahr 2008 ab; sogar der Steiger-Stern wurde aus ihrem Signet entfernt. Damit endete auch ein öffentlich nahezu unbekanntes Geschäftsmodell: Die Steiger-Stiftung kaufte Rettungshubschrauber und vermietete sie an die Flugwacht; diese erwarb sie nach einigen Jahren. Für beide Seiten hatte das steuerliche Vorteile, die Stiftung konnte zudem ein beträchtliches Anlagevermögen vorweisen. Inzwischen besitzt sie keinen der ehedem 15 Helikopter mehr, was die Bilanzsumme und die Einnahmen erheblich drückte.

Auch das Abkommen mit der DRF, sich beim Werben um Unterstützer keine Konkurrenz zu machen, war nun hinfällig. Inzwischen bemüht sich die Stiftung massiv um Fördermitglieder, deren Beiträge zur wichtigsten Geldquelle werden sollen; binnen weniger Jahre sollen die Einnahmen daraus von null auf mehr als sechs Millionen Euro steigen. Dazu sind gleich sechs sogenannte Fundraising-Agenturen unterwegs, deren Dienste freilich ihren Preis haben. Der erste Jahresbeitrag geht komplett für die Provision drauf, sofern die Förderer längerfristig bei der Stange bleiben - was bei den Landtagsabgeordneten einiges Erstaunen auslöste. Danach sinkt die Provision sukzessive auf etwa ein Viertel.