Die Steuereinnahmen dürften in den kommenden Jahren höher ausfallen als bisher angenommen. Kanzlerkandidat Olaf Scholz jubiliert.

Berlin - Die Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP über die Bildung eines Ampelbündnisses gehen dieser Tage in die entscheidende Phase, Ende des Monats soll der Koalitionsvertrag fertig sein. Vom geschäftsführenden Finanzminister und mutmaßlich künftigen Kanzler ereilte die drei Partner am Donnerstag eine frohe Kunde: Die finanziellen Spielräume des Staates dürften in den kommenden Jahren größer sein als bisher angenommen, wie SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf der Basis der jüngsten Steuerschätzung mitteilte.

 

Der Bund kann demnach von 2021 bis 2025 mit höheren Einnahmen im Umfang von fast 72 Milliarden Euro rechnen. Für den Gesamtstaat – also Bund, Länder und Gemeinden – sollen die Mehreinnahmen im genannten Zeitraum sogar um knapp 180 Milliarden Euro höher ausfallen als noch bei der Frühjahrsschätzung im Mai vorhergesagt. „Das sind, man kann es nicht anders sagen, erfreuliche Zahlen“, sagte Scholz.

Wirtschaft kämpft sich aus der Krise

Der Grund dafür ist die robuste Verfassung der heimischen Volkswirtschaft, die sich zunehmend aus der Krise heraus kämpft. Im laufenden Jahr verhindern die Coronapandemie und Lieferengpässe zwar noch einen kräftigen Aufschwung. Für das kommende Jahr erwarten Konjunkturforscher und die Regierung dann aber einen Boom: Die Wirtschaftsweisen hatten erst am Mittwoch für 2022 eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 4,6 Prozent in Aussicht gestellt – sofern die Lieferengpässe tatsächlich überwunden werden können und das Pandemiegeschehen keine weiteren umfassenden Einschränkungen erforderlich macht. Wenn die Unternehmen gut zu tun haben und viele Menschen Jobs haben, steigen die Steuereinnahmen. Die starke Inflation – von der der Staat über die Mehrwertsteuer profitiert – trägt nach Scholz’ Darstellung nicht wesentlich zu den erwarteten Mehreinnahmen bei.

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Scholz sagte am Donnerstag, es sei richtig gewesen, gleich von Beginn der Coronakrise an mit viel Geld Firmen und Arbeitsmarkt zu stützen. „Jeder Euro, den wir dafür ausgegeben haben, macht sich jetzt bezahlt.“ Die Gesamtverschuldung des Staates bleibe trotz der Aufnahme umfangreicher neuer Kredite im Zusammenhang mit der Pandemie überschaubar. „Meine Nachfolgerin beziehungsweise mein Nachfolger findet ein gut bestelltes Feld vor.“

Scholz machte allerdings auch deutlich, dass das Steuer-Plus nicht ausreichen werde, um die von den Ampelpartnern geplanten Investitionen in Klimaschutz oder Digitalisierung zu finanzieren. Die Rede ist von weiteren Aufwendungen im Umfang von 50 Milliarden Euro pro Jahr. Wie diese finanziert werden können, ist Gegenstand der Koalitionsverhandlungen. Der Kanzlerkandidat gab trotz mehrmaliger Nachfrage keinen Hinweis auf eine mögliche Lösung.

100 Milliarden Euro neue Kredite

Die Haushaltslage des Bundes bleibt ohnehin angespannt: Bereits Bislang hatte Scholz geplant, im kommenden Jahr noch einmal 100 Milliarden Euro an neuen Krediten aufzunehmen. Dabei solle es trotz der zu erwartenden Mehreinnahmen auch bleiben, wie der Minister klarstellte. Es gebe weiter erhebliche Lasten aus der Pandemie. Die Schuldenbremse soll ab 2023 wieder greifen.

CDU und CSU forderten derweil die künftigen Ampelkoalition auf, die Schuldenregel in Zukunft penibel einzuhalten. Fraktionsvize Andreas Jung (CDU) sagte unserer Redaktion: „Die finanziellen Möglichkeiten des Bundes und die Ausgabenpläne der Ampel passen nicht zusammen.“ Dieses Missverhältnis müsse „durch konsequente Priorisierung aufgelöst werden statt durch ein Umgehen der Schuldenbremse“. Jung verlangte mehr Investitionen, betonte aber: „Schattenhaushalte in Investitionsgesellschaften, ein Aufblähen der KfW oder das Vertagen der Tilgung der Coronaschulden sind nichts als Verschiebebahnhöfe.“ Deshalb müsse beides zusammengebracht werden – Zukunftsinvestitionen und die Einhaltung der Schuldenbremse.