Die Skandale bei Banken sind nur die Spitze des Eisbergs. Andernorts sind die Kontrollen noch laxer.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Der Geldwäsche-Beauftragte der Deutschen Bank gab sich kooperativ. Er freue sich auf die Debatte über „unseren gemeinsamen Kampf gegen Finanzkriminalität“, sagte Stephan Wilken am Montag vor einem Sonderausschuss des EU-Parlaments, der sich mit Geldwäsche und Steuerhinterziehung befasst. Doch tatsächlich trug Wilken kaum zur Aufklärung bei.

 

Warum die Staatsanwaltschaft Geschäfte über eine Offshore-Gesellschaft der Deutschen Bank untersucht? Wieso die Geschäfte mit der in einen Geldwäsche-Skandal verwickelten Danske Bank trotz früherer Verdachtsmomente erst 2015 beendet wurden? „Die internen Untersuchungen laufen noch.“ Daher könne man zu Einzelheiten nichts sagen, so Wilken. „Die Anhörung hat nicht die Antworten erbracht, die dem Ausmaß der Probleme angemessen wären“, klagte der tschechische Ausschuss-Vorsitzende Petr Jezek.

Tatsächlich wird die europäische Finanzbranche seit zwei Jahren von einer ganzen Serie von Geldwäsche-Skandalen erschüttert. Die Großrazzia der Frankfurter Staatsanwaltschaft, die Ende November zwei Tage lang die Deutsche Bank durchsuchte, ist nur das jüngste Beispiel. Allein über die Danske Bank, genauer deren Niederlassung in Estland, flossen rund 200 Milliarden Euro an verdächtigen Geldern. Vor einem Jahr deckten die USA auf, dass die lettische Bank ABLV ausländischen Kunden die Umgehung von UN-Sanktionen gegen Nordkorea ermöglicht hatte. Und im Herbst vergangenen Jahres musste die größte niederländische Bank ING wegen unzureichender Kontrollen eine 775 Millionen Euro schwere Geldbuße zahlen. Über ihre Konten waren unter anderem Bestechungsgelder nach Usbekistan geflossen.

Nur die Spitze des Eisbergs

Experten befürchten, dass die Geldwäsche-Fälle in der Finanzbranche nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Denn auch wenn die bankinternen Kontrollen offenkundig verbesserungswürdig sind, so schlagen die Kreditinstitute doch immerhin regelmäßig Alarm: Von den 60 000 Verdachtsmeldungen, die 2017 bei der für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständigen Financial Intelligence Unit (FIU) des Bundes eingingen, kamen 99 Prozent aus dem Finanzsektor. Aus anderen Branchen kam also fast nichts.

Immobilienmakler und Notare kooperieren nicht“, kritisiert Kai Bussmann, Strafrechtsprofessor an der Universität Halle-Wittenberg. In einer repräsentativen Umfrage unter mehr als 940 Unternehmen stellte er vor einigen Jahren fest, dass auch bei Autohäusern, Juwelieren oder Kunsthändlern erhebliche Vorbehalte gegen die Meldung von Verdachtsfällen bestanden. Die Unternehmen fürchteten schlicht um ihr Geschäft. In seiner im Auftrag des Bundesfinanzministeriums erstellten Studie schätzte Bussmann das Geldwäscheaufkommen quer durch alle Branchen auf über 50 Milliarden Euro pro Jahr. Beziehe man auch eigens zum Zweck der Geldwäsche gegründete Gaststätten, Spielhöllen und Exportfirmen ein, so sei sogar von einem Volumen von 100 Milliarden Euro auszugehen.

Bussmanns Hochrechnungen sind umstritten. Einigkeit herrscht unter Experten aber darüber, dass auch der Kauf von Immobilien und anderen Gütern genutzt wird, um Einnahmen aus illegalen Geschäften zu waschen oder Steuern zu hinterziehen: „Als taugliche Objekte für Geldwäsche eignen sich besonders Investitionen in Güter, die mit wenig Wertverlust weiterverkauft werden können. Das kann ein LKW sein, ein Pkw der Premiumklasse, aber auch eine teure Waschmaschine. Möglich sind auch Massengeschäfte mit weniger wertvollen Waren“, sagt Christian Judis, Experte für Wirtschaftsstrafrecht bei der Rechtsanwaltsgesellschaft KPMG Law.

Regeln verschärft – Wirkung noch ungewiss

Mit der jüngsten EU-Geldwäscherichtlinie wurden deshalb auch Güterhändlern gewisse Überwachungspflichten auferlegt. Sie reichen von der Einführung interner Kontrollvorschriften bis zur Berufung eines Geldwäschebeauftragten, sofern die Aufsichtsbehörde dies anordnet. Wenn ein Unternehmen Beteiligungen beispielsweise an Tochtergesellschaften hält, greifen unter Umständen noch strengere Regeln: Es kann dann als „Finanzunternehmen“ eingestuft werden. „Das ist vielen Unternehmern überhaupt nicht bewusst“, sagt Arndt Rodatz von KPMG Law.

Diese Regeln gelten seit Mitte 2017, trotzdem ergingen von Güterhändlern in jenem Jahr lediglich 216 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen an die FIU. Angesichts der Vielzahl an Unternehmen sei dies „weiterhin als zu niedrig zu bewerten“, monieren die Geldwäsche-Bekämpfer in ihrem Jahresbericht.

Inwieweit Unternehmen außerhalb der Finanzbranche ihren Kontrollpflichten nachkommen, wird von den zuständigen Landesbehörden überwacht. Hier besteht nach Einschätzung der KPMG-Law-Experten noch Nachholbedarf: Bislang gebe es in vielen Bundesländern schlicht zu wenig Personal für die Geldwäscheaufsicht. In Baden-Württemberg obliegt sie den vier Regierungspräsidien, die jeweils zwei Vollzeitstellen mit dieser Aufgabe besetzt haben – ausgenommen Stuttgart, wo insgesamt vier Aufseher 1,5 Stellen teilen.

Der Hallenser Experte Bussmann kritisiert: „Wir brauchen viel mehr Ermittler.“ Als Präventionsinstrument fordert er außerdem ein Verbot großer Bargeld-Transaktionen: „Die Grenze sollte bei 3000, maximal 5000 Euro liegen.“ Den Einwand, darunter würden auch ehrliche Kunden leiden, lässt er nicht gelten. Niemand sei gezwungen, „20 000 Euro in bar zu seinem Autohändler zu tragen“.