Eine neue Bürgerbewegung will den Finanzmärkten Grenzen setzen: An ihrer Spitze steht der frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen, Gerhard Schick.

Berlin - Nach 13 Jahren im Bundestag machte Gerhard Schick einen Schnitt: Ende 2018 legte der Mannheimer Grünen-Abgeordnete sein Mandat nieder und stellte sich an die Spitze einer parteiübergreifenden Initiative. Mit der Bürgerbewegung Finanzwende will der promovierte Volkswirt künftig die Finanzmärkte in die Schranken weisen. „Die Finanzkrise liegt mehr als zehn Jahre zurück, doch verbessert hat sich wenig“, sagt der frühere finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Ein Kollaps sei jederzeit wieder möglich. Banken, Versicherungen und andere Akteure hätten noch zu viel Spielraum – dafür sorge eine übermächtige Finanzlobby. Die Gesellschaft müsse die Kontrolle über die Märkte zurückgewinnen.

 

Eigentlich ist das zuerst die Aufgabe einer Regierung. Aus der Opposition heraus seien die nötigen Änderungen kaum zu schaffen, sagt Schick. Nach dem Scheitern der Jamaikaverhandlungen 2017 wollte er aber nicht länger warten, sondern außerparlamentarisch Druck auf Politik und Wirtschaft machen. Dabei setzen er und seine Mitstreiter auf Aufklärung und Kampagnen gegen Missstände. Sie arbeiten eng mit der in Brüssel angesiedelten Organisation Finance Watch zusammen. Vorbild sind beispielsweise die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, die der Lebensmittelwirtschaft auf die Finger schaut, und die Deutsche Umwelthilfe.

Parteiübergreifende Initiative

„Eine solche Aufgabe ist mit der gewissenhaften Ausübung eines Bundestagsmandats nicht vereinbar – zum einen zeitlich, zum anderen aufgrund der Überparteilichkeit“, sagt der 46-Jährige, der mit seiner Entscheidung nicht nur auf seine Diäten, sondern auch auf die Unterstützung durch Mitarbeiter, den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags und andere Hilfen verzichtet. Bei den Grünen ist er weiter Mitglied. Mit seiner Kritik an den Finanzmärkten steht Schick aber nicht allein. Zu den Gründungsmitgliedern der Bürgerbewegung zählen unter anderem der frühere Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (CDU) und die SPD-Politikerin Gesine Schwan, der Ökonom Martin Hellwig, der Wirtschaftsweise Peter Bofinger und der frühere Investmentbanker Rainer Voss. Finanziell unterstützt wird das ehrgeizige Vorhaben von vier Stiftungen, unter anderem der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sowie der Schöpflin-Familienstiftung – und inzwischen mehr als 1400 Fördermitgliedern.

„Zu unseren Mitgliedern gehören auch Unternehmer aus der Realwirtschaft, die sich Sorgen machen, dass Probleme im Finanzsektor bald wieder auf ihre realwirtschaftlichen Unternehmen übergreifen“, sagt Schick. Um das zu verhindern, müsse endlich eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. „Bei jedem Brötchenverkauf wird Umsatzsteuer abgeführt. Aber wenn an Börsen Finanzprodukte gehandelt werden, gilt das nicht. Wieso eigentlich?“

Auch Unternehmer unterstützen Projekt

Der 46-Jährige hofft auf Unterstützung von Bürgern, die sich nicht damit abfinden wollen, dass beispielsweise von der privaten Altersvorsorge Banken und Versicherungen oft mehr profitieren als die Betroffenen oder dass Bezieher kleiner Einkommen für Geldanlagen deutlich schlechtere Verträge bekommen als finanzstarke Kunden. „Dass es auch anders geht – zum Nutzen der Verbraucher –, zeigen die skandinavischen Länder“, sagt Schick.

Die erste Kampagne läuft bereits. Vor wenigen Tagen übergab er dem Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Felix Hufeld, über 3000 Unterschriften. Die Unterzeichner des Aufrufs fordern die Bafin auf, betrügerische Unternehmen endlich zu stoppen. Weil 2018 der Bafin-geprüfte Finanzdienstleister P&R Insolvenz angemeldet hat, bangen über 50 000 Anleger um ihre Ersparnisse von mehr als 3,5 Milliarden Euro. Ziel der Organisation ist auch, Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu bekämpfen. Zum einen müssten die Finanzämter besser ausgestattet und diejenigen, die solche Verbrechen offenlegten, besser geschützt werden. Auch müssten Banken und Geschäfte genauer hinsehen, wenn sie große Summen Bargeld erhielten.

Die Geschäftsstelle in Berlin ist eingerichtet. Die ersten Mitarbeiter haben die Arbeit aufgenommen. Nun geht Schick auf Informationstour. Am 18. Februar kommt er nach Stuttgart ins Theaterhaus.