Auf der Finanzmesse Invest können sich Privatanleger darüber informieren, wie sie ihr Geld auch in Zeiten niedriger Zinsen vermehren können. Doch die Deutschen scheuen nach wie vor das Risiko und machen oft einen Bogen um Wertpapiere.

Stuttgart - Was haben Volkswagen, der „Tatort“ und eine Currywurst gemeinsam? In einer Umfrage im Auftrag der Wochenzeitung „Die Zeit“ waren dies die drei Dinge, die nach Meinung der Befragten am ehesten für Deutschland stehen. Garantiert unverdächtig, typisch deutsch zu sein, sind dagegen Aktiendepots. Nur etwa neun Millionen Deutsche besitzen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts mindestens eine Aktie. Daran hat selbst die aktuelle Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kaum etwas geändert, wie auch die Ergebnisse einer Untersuchung der Börse Stuttgart und von TNS Infratest zum Anlageverhalten in Deutschland nahelegen.

 

Später mehr zur Studie, die am Freitag auf der Anlegermesse Invest in Stuttgart vorgestellt wurde. Zunächst ein kleiner Rundgang über die Messe: Bis zum Samstagabend können sich private Anleger in Halle 4 darüber informieren, wie sie ihr Geld jenseits von Sparbuch, Lebensversicherung und Bausparvertrag anlegen können und auch in Zeiten niedriger Zinsen die Chance haben, es zu vermehren.

Schilder vor der Messe weisen den Weg zum „Grünen Geld“

Vor dem Eingang weisen große Schilder darauf hin, dass es hier nicht nur zur Messe, sondern auch zum „Grünen Geld“ geht. Gemeint sind nachhaltige Anlageprodukte, einer der Trends der letzten Jahre. Schon im Foyer werden beispielsweise Beteiligungen an einem Solarpark auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionsdepots der Bundeswehr in Hessen oder an einem Windpark auf See angeboten. Garantierte Rendite: zwischen fünf und acht Prozent. „Je höher die versprochene Rendite, desto lauter sollten die Alarmglocken läuten“, erklärt ein Besucher, der sich selbst als „alten Hasen auf der Invest“ bezeichnet. Vor einigen Jahren habe etwa der Windpark-Entwickler Prokon mit zehn Prozent oder mehr Rendite am Messestand geworben, anschließend hätten viele Kleinanleger viel Geld verloren.

Doch welche Geldanlage ist überhaupt sicher? Die Antwort lautet oft: Gold. Frank Schallenberger von der Landesbank-Baden Württemberg bremst: Fünf bis zehn Prozent seines Vermögens in Gold anzulegen sei „in jedem Fall eine gute Idee“, mehr eher nicht. Dass derzeit viele Spekulanten stark auf Gold setzen würden, „ist ein gutes Warnsignal“, so der Banker. Das meint auch sein Kollege Eugen Weinberg von der Commerzbank: „Gold ist nur so viel wert, wie Sie bereit sind, für den Mythos zu bezahlen.“ Wenn morgen bekannt würde, dass das Edelmetall krebserregend sei, würde der Kurs rapide abstürzen. Weinberg rät daher eher zur Aktie: „Der Gegenwert ist dabei immer ein Anteil an einem Unternehmen.“ Die Messe-Kiebitze am Commerzbank-Stand schwören dagegen auf 100 Prozent Gold: Eine frisch gefüllte Schale mit goldverpackten Schoko-Talern wird binnen Sekunden leer geplündert.

Der Deutsche scheut das Risiko von Aktien und anderen Wertpapieren

Also Aktien. Allerdings scheut der Deutsche wie eingangs erwähnt das Risiko. Daran hat auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank nichts geändert: Trotz der seit 2009 sinkenden Zinsen auf Spareinlagen bleiben die meisten Bundesbürger ihrer vorsichtigen Linie treu – und den Wertpapiermärkten fern. „Sie legen weiterhin konservativ an“, fasst Michael Völter die Ergebnisse der TNS-Studie zum Anlegerverhalten zusammen. Der Vorstandsvorsitzende der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse räumt offen ein, sich mehr davon versprochen zu haben: „Das Ergebnis ist ernüchternd.“

Jeder vierte Deutsche kümmere sich selten oder nie um seine Geldanlage, Jüngere beschäftigen sich häufiger damit als Ältere, Männer stärker als Frauen. Immerhin ein Drittel der Befragten gab an, sich aufgrund der Niedrigzinsphase in den vergangenen zwölf Monaten intensiver als vorher mit einer Geldanlage beschäftigt zu haben. Doch die Bereitschaft, dabei auf Wertpapiere zu setzen, ist nur bei jedem Fünften gestiegen. „Selbst das Argument, dass Altersvorsorge im derzeitigen Zinsumfeld kaum noch möglich sei, beeindruckte sie kaum“, sagt Völter. Insgesamt investieren knapp 29 Prozent der 2000 für die Studie Befragten in Wertpapiere.

Bert Rürup nimmt kein Blatt vor den Mund

Expertenrat hat es am Freitag auf der Invest auch von Bert Rürup gegeben. Der 72-jährige frühere Wirtschaftsweise, nach dem selbst einmal eine private Zusatzrente benannt wurde, ist heute Präsident des Handelsblatt Research Instituts, eines Medienpartners der Invest. Rürup nimmt dennoch kein Blatt vor den Mund und sagt auch Sätze, die nicht allen Bankern auf der Messe gefallen dürften: Er habe Zweifel am direkten Zusammenhang zwischen häufiger Information und Erfolg bei Wertpapieranlagen. So sei beispielsweise nicht nachgewiesen, dass aktiv von Beratern gemanagte Fonds besser abschneiden als die sogenannten ETFs. Das sind Fonds, die nicht riskanter, aber günstiger für den Verbraucher sind, weil etwa eine Bank weniger Beratungsleistung dafür erbringt – und damit auch weniger daran verdient.

Aber wo investieren die Deutschen ihr Geld, wenn nicht in Aktien? Rürup nennt es eine „Umschichtung auf Konsum-Sparen“, was so viel bedeutet wie, die Menschen geben ihr Geld neben Immobilien auch für neue Küchen, Autos oder Sofas aus. Im Gegensatz zu anderen Finanzexperten rechnet Rürup damit, dass die Niedrigzinspolitik 2017 infolge von steigenden Rohstoffpreisen und einer höheren Inflation zu Ende gehen wird – vermutlich ohne dass sich die Aktionärskultur in Deutschland dadurch wesentlich verändert haben wird.