Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht in der lockeren Geldpolitik Gefahren. Sein US-Kollege Lew lobt die Eurorettungspolitik – übt aber auch Kritik an Deutschland.

Berlin - Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht die Gefahr, dass die lockere Geldpolitik zu neuen Spekulationsblasen an den Finanzmärkten führt. Schäuble sagte nach einem Gespräch mit dem US-Finanzminister Jack Lew in Berlin, er habe mit seinem Kollegen auch über die Folgen der Geldpolitik gesprochen. Der deutsche Finanzminister vertritt die Ansicht, die Politik müsse genau darauf achten, welche Risiken von der Liquiditätsschwemme an den Finanzmärkten ausgehen. Darin könne sich der Keim für neue Krisen verbergen. Während Schäuble auf der Pressekonferenz mehrfach auf mögliche Gefahren hinwies, zeigte sich Lew in dieser Hinsicht einsilbig. Auf eine Frage antwortete der US-Minister ausweichend. Die Geldpolitik der US-Notenbank orientiere sich am Ziel, Wachstum zu schaffen und Arbeitslosigkeit zu reduzieren, sagte Lew. Im Übrigen seien die Zentralbanken für die Geldpolitik zuständig. Als US-Finanzminister konzentriere er sich auf seine Aufgaben.

 

Hinter den Äußerungen verbirgt sich eine unterschiedliche Beurteilung der Lage. Schäuble wies in den vergangenen Monaten immer wieder darauf hin, dass die ultralockere Geldpolitik zu neuen Ungleichgewichten an den Märkten führen könne. Erste Warnsignale gibt es bereits. Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken gilt als ein Grund für den rasanten Anstieg der Aktien- und Immobilienmärkte. Die US-Regierung hält die Sorge vor neuen Krisen für übertrieben. Sie hält die wirtschaftliche Belebung für vordringlich.

Lew sagte in Berlin, es gebe zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten zwar Meinungsunterschiede, aber er machte deutlich, dass die Differenzen bisher immer überwunden worden seien. Deutschland sei für die USA ein wichtiger Partner. Lob zollte Lew den Fortschritten in der Eurorettungspolitik. Der US-Minister sprach von ermutigenden Ergebnissen. Vor drei Jahren hätte kaum jemand gedacht, dass die Stabilisierung in Europa in einem kurzen Zeitraum gelingt. Aus Sicht der Vereinigten Staaten muss Europa allerdings mehr für das globale Wachstum tun.

US-Finanzminister kritisiert deutschen Exportüberschuss

Unzufrieden zeigt sich die amerikanische Regierung darüber, dass Deutschland seine Möglichkeiten zur Erhöhung des Wachstums nicht ausschöpft. Der deutsche Exportüberschuss steht international seit Jahren in der Kritik. Aufsehen erregte Ende Oktober ein Bericht aus dem US-Finanzministerium mit dem Tenor, Deutschland schade mit dieser Politik der wirtschaftlichen Stabilität in Europa und der Welt. Lew beharrte in Berlin auf diesem Standpunkt: „Wir sind davon überzeugt, dass eine stärkere Binnennachfrage sehr gut wäre.“ Wünschenswert seien ebenso mehr Impulse für Investitionen. Diese Empfehlungen zielen darauf ab, die hohen Überschüsse in der deutschen Handelsbilanz zurückzuführen. Lew hält es für notwendig, die Lücke zwischen Ein- und Ausfuhren zu verringern. Diese Forderung bleibe auf der Tagesordnung, so Lew.

Schäuble wies die Kritik zurück. Das Wachstum in Deutschland werde zum großen Teil von der Binnenkonjunktur gestützt, entgegnete er. Damit leiste Deutschland seinen Beitrag zur globalen Konjunkturerholung. Die Bundesregierung wehrt die Forderungen der Amerikaner auch mit dem Hinweis ab, dass die Eurozone insgesamt nur einen geringen Exportüberschuss ausweist. Ohne den deutschen Überschuss würde sich für die Euroländer zusammen ein Außenhandelsdefizit ergeben, sagte der Bundesfinanzminister. Dies würde am Exportdefizit der Vereinigten Staaten nichts ändern, gab Schäuble zu bedenken.

Hinter dem Konflikt verbergen sich unterschiedliche Grundüberzeugungen. Deutschland hält nichts von kurzfristigen Maßnahmen zur Konjunkturankurbelung. Die Vertrauenskrise in Europa werde nur mit solider Haushaltspolitik und Strukturreformen überwunden, sagte Schäuble.