Das Klinikdefizit wird viel größer als kalkuliert, die Steuereinnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück: Der Rems-Murr-Kreis steuert auf ein erhebliches Jahres-Minus zu. Den Kommunen droht nun eine deutliche Erhöhung der Kreisumlage.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Düstere Wolken am Rems-Murr-Finanzhimmel: Im Zwischenbericht zum Etatplan, den die Kreisverwaltung jetzt vorgelegt hat, zeichnet sich zum Jahresende ein erhebliches Minus ab. Der Kämmerer Matthias Rebmann rechnet mit einem Defizit von 42 Millionen Euro.

 

Hilfspakete von Land und Bund bleiben aus

Den größten Negativposten machen die Rems-Murr-Kliniken aus. Deren Jahresdefizit wird sich nach jetzigem Stand gegenüber den Planungen wohl mehr als verdoppeln – von ursprünglich kalkulierten 16 auf 35 Millionen Euro. Als Grund dafür führt die Verwaltung in erster Linie eine ausbleibende Unterstützung von Bund und Land an. 13,8 Millionen Euro waren zum Ausgleich von Coronafolgen, Energiekrise und Inflation eigentlich eingeplant. Doch eingegangen ist bisher nichts.

Zwar hat die baden-württembergische Regierung jüngst ein Hilfspaket für alle Krankenhäuser im Land angekündigt, doch von der mit 150 Millionen Euro in Aussicht gestellte Summe dürfte bei rund 250 „Mitbewerbern“ für die Rems-Murr-Kliniken nicht viel mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein übrig bleiben.

„Die Senkung der Kreisumlage entgegen dem Trend war rückblickend zu optimistisch“, sagt Landrat Richard Sigel Foto: Gottfried Stoppel

Neben den Aufwendungen für die Kliniken sind laut der Verwaltung auch die Kosten im Sozialbereich enorm angewachsen. Die Entwicklung sei in einem großen Maße auf die allgemeine Kostensteigerung sowie Fortschritte bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes zurückzuführen, heißt es im Finanzzwischenbericht.

Auch die Einnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück

Zudem sind auch Positionen auf der Einnahmeseite hinter den Erwartungen zurückgeblieben. So sei die Grunderwerbsteuer bereits im dritten Jahr in Folge niedriger ausgefallen als erhofft und auch die Schlüsselzuweisungen des Landes würden – basierend auf den aktuellen Zahlen des Finanzministeriums – den veranschlagten Planansatz nicht erreichen. Wichtige Erträge zur Deckung der gestiegenen Aufwendungen fehlten daher.

Die entstandenen finanziellen Verschlechterungen könnten weder durch positive Entwicklungen in anderen Bereichen, noch durch den Einsatz bestehender Rücklagen vollständig kompensiert werden, konstatieren der Landrat Richard Sigel und der Kämmerer. Als Hauptursache für diese „problematische Entwicklung der Kreisfinanzen“ sehen sie, „dass in den vergangenen Jahren die gesetzlichen Pflichtaufgaben der Landkreise beständig ausgeweitet wurden und die Erledigungskosten aus bestehenden Pflichtaufgaben explodiert sind, ohne dass es dafür ausreichenden finanziellen Ausgleich gegeben hätte.“ Beispielhaft werden die Bereiche der Eingliederungs- und Jugendhilfe sowie die Krankenhausversorgung genannt.

Nachtragshaushalt und höhere Kreisumlage drohen

Ihr Fazit: Sollten bis zum Jahresende keine wesentlichen finanziellen Entlastungen durch die vom Land angekündigten Finanzmittel eintreten oder sich die Lage weiter verschärfen, werde die Aufstellung eines Nachtragshaushalts unumgänglich. In diesem Zusammenhang könnte eine Erhöhung der Kreisumlage als mögliche Maßnahme zur Stabilisierung der finanziellen Situation in Erwägung gezogen werden. Das Eingeständnis mit Blick auf die Haushaltsverabschiedung im vergangenen Jahr: „Die Senkung der Kreisumlage entgegen dem Trend, auch um die Städte und Gemeinde nur auf das Notwendigste zu belasten, war rückblickend zu optimistisch.“

Und so wird für das kommenden Jahr eine deutliche Erhöhung jenes Hebesatzes, mit dem sich der Kreis an den Steuereinnahmen der Kommunen bedient, kaum vermieden werden können. In einem eigentlich vertraulichen Brief hat der Landrat die Rathauschefs schon einmal entsprechend vorgewarnt. Im Raum steht eine Steigerung von 32,5 auf 37 Prozent. Der Grund: Die Pflichtleistungen bei den Sozialleistungen steigen weiter an und bei den Kliniken muss mit einem Defizit in ähnlicher Größenordnung wie in diesem Jahr gerechnet werden.

Eine Hoffnung indes bleibt dem Landrat noch: die Krankenhausreform – und eine damit einhergehende deutliche Erhöhung der Fallpauschalen. Doch auch hier verbreiten die kommunalen Spitzenverbände eher Pessimismus. „Wenn die Krankenhausreform so kommt, wie jetzt von Minister Lauterbach und den Ampelfraktionen geplant, ist eine kalte Marktbereinigung vorprogrammiert. Denn dann bleibt es bei der systematischen Unterfinanzierung der Kliniken“, kommentiert der baden-württembergische Landkreistagspräsident Joachim Walter den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens. Hier bedürfe es dringend einer Nachbesserung, denn ohne einen Tarif- und Inflationsausgleich würden die meisten Kliniken nicht wieder auf die Beine kommen.

Doch einen solchen wird der Rems-Murr-Kämmerer wohl diesmal erst einplanen, wenn er auch fest zugesagt ist. Die Haushaltsberatungen im Rems-Murr-Kreis beginnen am 21. Oktober mit der Einbringung des Etatplans.

Abweichungen vom Plan

Kliniken
 Voraussichtlich 16,2 Millionen Euro mehr als geplant muss der Rems-Murr-Kreis zum Ausgleich des Defizits seiner Kliniken überweisen, insgesamt rund 35 Millionen Euro.

Steuern
 4,4 Millionen Euro weniger als gedacht wird der Kreis wohl an Grunderwerbssteuern einnehmen. Bei den Schlüsselzuweisungen durch das Land zeichnet sich eine Lücke von 3,6 Millionen ab.

Soziales
 Unter dem Strich wird im Bereich der Sozialleistungen wohl eine Deckungslücke von 3,2 Millionen Euro bleiben.

Verbesserungen
 Nennenswerte Verbesserungen gegenüber der Kalkulation Ende vergangenen Jahres erwartet der Kämmerer lediglich in den Bereichen Personal (plus 1,7 Millionen Euro) und bei den Ergänzungszuweisungen des Bundes (plus 0,6 Millionen Euro).