Nachdem die Landesbank Baden-Württemberg einen ersten Prozess gegen den sächsischen Betrieb gewonnen hat, bildet dieser nun millionenschwere Rückstellungen. Offenbar will man sich für den Fall einer Niederlage in zweiter Instanz wappnen.

Stuttgart - Leipzigs stadteigener Konzern, die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV), schippert derzeit durch unruhige See. Zum einen geht Anfang 2014 altersbedingt der langjährige Kapitän Josef Rahmen von Deck, so dass die Holding aus Stadtwerken, kommunalen Wasserwerken und Verkehrsbetrieben nun nach neuen Steuerleuten fahndet. Zum anderen verdichten sich seit einigen Wochen die Signale, dass Rahmens Nachfolger nicht jenen hochseetauglichen Dampfer übernimmt, als der sich die LVV noch bis Mai darstellte.

 

Da deutete noch alles auf „das beste Ergebnis aller Zeiten“ hin, wie Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) als Aufsichtsratsvorsitzender bereits frohlockte. Immerhin vermeldeten die Stadtwerke Leipzig ein Rekordplus von 74,6 Millionen Euro. Auch die Wasserwerke (KWL) steuerten auf einen Gewinn von 13,7 Millionen Euro zu, und selbst das zu chronischem Defizit neigende Straßenbahn- und Busunternehmen schrieb eine „schwarze Null“.

Dann aber fiel am 3. Juni am Landgericht Leipzig ein Urteil, und die Welt war augenblicklich eine andere für die drei stadteigenen Unternehmen, denn die Wasserwerke verloren in erster Instanz einen Schadenersatzprozess, den die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) angestrengt hatte. Konkret geht es um eine Ausfallforderung von knapp 76 Millionen Euro. Diese Summe steht dem Stuttgarter Institut womöglich nun zu, nachdem das Gericht entschieden hatte: Die 2006 zwischen beiden Seiten geschlossenen Verträge über Kreditausfallversicherungen sind rechtswirksam. In Leipzig hatte man dies bis zuletzt bestritten, da diese Papiere vom damaligen Geschäftsführerduo der KWL auf eigene Faust ausgehandelt worden waren – ohne Wissen oder gar Zustimmung von Aufsichtsrat und LVV-Konzernspitze. Zudem fühlte man sich von den Banken nicht ausreichend aufgeklärt über jene hochspekulativen Produkte.

KWL-Finanzchef Klaus Heininger und sein Partner Andreas Schirmer hatten seinerzeit gehofft, über sogenannte Kreditausfallverträge mit mehreren Banken – darunter die LBBW – ältere Risikopapiere aus Cross-Border-Leasingkontrakten besser absichern zu können. Doch die Spielregeln hierfür waren perfide: Es handelte sich im Grunde um einen Poker, auch Finanzwetten genannt, bei denen die Wasserwerke gegenüber den Banken als Versicherer agierten. Der Kommunalbetrieb strich dafür eine ordentliche Prämie ein, musste aber im Gegenzug das Risiko schultern, wenn ein Kreditnehmer gegenüber dem Geldinstitut nicht mehr flüssig war.

Manager bekommen die Deals millionenschwer versilbert

Bis zur Finanzkrise war auch alles gut gegangen. Seit 2009 wuchs jedoch plötzlich die Zahl der Schuldner, und besagter Versicherungsfall trat ein. Der aus München stammende KWL-Manager Heininger sowie zwei süddeutsche Kreditvermittler, die alles eingefädelt hatten, bekamen die Deals in Form von Prämien millionenschwer versilbert. Allein von der LBBW kassierte man sieben Millionen Euro. Während gegen Heininger seither getrennte Prozesse laufen und die beiden Finanzmakler bereits im Gefängnis sitzen, verhagelte es der Leipziger Stadtholding nun also gehörig die Zahlen für 2012. Statt dem erhofften Plus von 17,6 Millionen Euro finden sich in den Büchern plötzlich 60,7 Millionen Euro Verlust – auch wenn es sich hierbei zunächst nur um eine buchhalterische Position handelt, denn es betrifft Rückstellungen, die die LVV für die Wasserwerke umgehend bilden musste, um jene drohenden Ansprüche notfalls begleichen zu können.

Dabei sind die Forderungen aus Stuttgart noch die geringsten. Kommt es ganz schlimm, werden sogar 290 Millionen Euro fällig, denn die KWL prozessieren von 2014 an in London in ähnlicher Sache auch gegen Banken aus Irland und der Schweiz. Zwar gibt sich Leipzigs Rathauschef Jung weiter kämpferisch, nachdem er bereits nach dem Richterspruch im Juni angekündigt hatte, in Berufung zu gehen. Doch seit die 60-seitige Urteilsbegründung vorliegt, hält man sich auffallend zurück.

Mittlerweile prüfen die Wasserwerke sogar schon Rückstellungen von gut 95 Millionen Euro. Darin finden nun auch saftige Zinsen Berücksichtigung, die seit Kündigung des Vertrages zwischen Wasserwerken und Landesbank im Jahre 2010 aufliefen. Wie es im Leipziger Rathaus heißt, sollen diese rund fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszins der Leitbanken liegen.

LBBW ist nicht in die Bestechung verwickelt

Die LBBW könnte nach ihrem ersten Sieg vor Gericht nun zumindest verlangen, dass die geforderte Summe wegen der angestrengten Berufung auf einem Treuhandkonto zwischengeparkt wird. Doch es gilt als unwahrscheinlich, dass Leipzig 2013 überhaupt einen Cent anweist. Stattdessen schickte man nun eigene Gutachter in die Spur, um den in Stuttgart bezifferten Schaden gegenzuchecken.

Hatte mancher in der Messestadt anfangs noch gehofft, die Verträge mit der LBBW dahingehend delegitimieren zu können, dass hierfür 2006 auch Schmiergelder an Heininger geflossen waren, so zerstob dies längst. Zwar war der KWL-Geschäftsführer durchaus bestochen worden – allein für die Unterschrift unter einen Vertrag mit der Schweizer Großbank UBS strich er 2,4 Millionen Euro ein. Doch die Stuttgarter Landesbank beteiligte sich daran offenkundig nicht. Die Eidgenossen hatten sie damals nur ins Boot geholt, damit sie beim Deal mit ihren Schrottpapieren angesichts der Darlehenshöhe als Zwischenkreditgeber agieren.

So scheint den Anwälten der Leipziger Wasserwerke ihre anfängliche Siegesgewissheit offenbar weitgehend verloren zu gehen. Es ist nicht auszuschließen, dass sie den Fall Stuttgart intern schon abgehakt haben und nun bereits stärker die dickeren Brocken in London fokussieren.