Baden-Württemberg springt den vier Unikliniken mit 400 Millionen Euro Sonderhilfe für marode Gebäude bei. Höchste Zeit – und längst nicht genug, sagen Krankenhausmanager in Heidelberg und Tübingen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Spitzenforschung, die gestärkt werde, Klinikmodernisierungen, von denen Patienten „doppelt“ profitierten, eine Infrastruktur, die „die besten Forscherinnen und Forscher“ ins Land locke – mit solchen Begleitvokabeln haben das Finanz- und das Wissenschaftsministerium dieser Tage ihre „Sanierungsoffensive“ für die Unikliniken in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm veröffentlicht. Die Häuser, gern auch als „Supramaximalversorger“ gerühmt, erhalten zusammen 400 Millionen Euro aus dem Haushalt. Das Geld fließt in Beton und Apparate, denn, so der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Leider sind die Gebäude nicht alle in einem Spitzenzustand.“

 

Das werde sich, versichern Klinikmanager, aber auch durch die Soforthilfe nicht grundlegend ändern. Denn was Kretschmann moderat formuliert, ist tatsächlich ein riesiger Sanierungsstau. Die Heidelberger geben das frische Geld daher vor allem für die Sanierung und Erweiterung ihrer Kopfklinik aus. Sie ging im Jahr 1987 als erste ihrer Art bundesweit in Betrieb und umfasst heute die Augenheilkunde, die HNO-Medizin, die Neurologie und die Neurochirurgie. Das Haus ist alt geworden und angesichts verdoppelter Patientenzahlen auch zu klein.

55 Millionen Euro aus Stuttgart beabsichtigt die kaufmännische Direktorin Irmtraut Gürkan in den Ausbau zu investieren – die Gesamtkosten sind aber auf 200 Millionen Euro veranschlagt. „Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Unterstützung keine einmalige Initiative bleibt und das Land weiß, dass wir noch mehr Geld für die Sanierung brauchen“, sagt sie.

Eine Bedrohung der „führenden Stellung“

Ähnlich äußert sich Michael Bamberg, der Vorstandsvorsitzende und Leitende Ärztliche Direktor der Uniklinik in Tübingen. Man sei ja „dankbar“ für die zusätzlichen Summen, sagt Bamberg. „Gleichwohl gehen wir davon aus, dass sich das Land auch über das Jahr 2019 hinaus an dringend nötigen Investitionen beteiligt.“ Andernfalls sei die „führende Stellung“ der Unikliniken in der Krankenversorgung, der Forschung und der Lehre in Gefahr. Die Tübinger wollen den Angaben nach zunächst das Zentrum für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde modernisieren und ihr pathologisches Institut sanieren.

Der chronische Geldmangel der Unikliniken ist seit Jahren ein Thema – nicht nur in Baden-Württemberg. Zwar sind die Krankenhäuser laut dem Gesetz selbst für die Instandhaltung ihrer Gebäude zuständig, doch bei Jahreserlösen, die meist knapp um die schwarze Null liegen, können die nötigen Rücklagen kaum gebildet werden. Auch die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer erkennt den „Sanierungsstau“.

Vor allem auf den Kosten für Patienten mit schweren und langwierigen Krankheiten, die besonders aufwendig behandelt werden müssen, blieben die Häuser sitzen, lautet eine wiederholt geäußerte Kritik des Verbands der Universitätskliniken. Das Entgeltsystem trage solchen Extremkosten nicht Rechnung. Die Universitätskliniken dürfen – anders als die Privatkrankenhäuser – keine Patienten abweisen und benötigen deswegen eine weit gefächerte Infrastruktur.

Hier eine Klinik, da eine Klinik

Auch in Freiburg reicht das frische Geld nicht sehr weit. Ein neues Tumorzentrum ist im Bau, die Erweiterung der Chirurgie und ein Neubau der Kinderklinik sind geplant. Gesamtkosten allein in der Badenmetropole: rund 400 Millionen Euro. Verhaltene Freude denn auch bei Bernd Sahner, dem Kaufmännischen Direktor in Freiburg: Man sei „froh, jetzt endlich den Sanierungsstau angehen zu können“, so Sahner

In Ulm sollen die Millionen aus dem Landeshaushalt für „die erste Planungstranche“ zugunsten eines integrierten Masterplans verwendet werden. Er sieht vor, alle noch über das Stadtgebiet verstreuten Fachkliniken, zum Beispiel die Frauenklinik, auf den Oberen Eselsberg zu verlegen. Der erste Neubau werde Ambulanzen und Diagnostik einrichten „sowie Fächer mit Bezug zur Onkologie zusammenfassen, sagt Udo X. Kaisers, der Leitende Ärztliche Direktor und Vorstandschef.

Es werden wohl auch in den nächsten Jahren noch Investitionen nötig sein, um den Sanierungsstau an den Kliniken abzubauen, prognostiziert die grüne Finanzministerin Edith Sitzmann im Einklang mit den Klinikchefs. Nach Ansicht vieler Gesundheitsexperten, zum Beispiel beim Medizinischen Fakultätentag, sind die Länder nicht die Helfer in der Not, sondern eigentlich die Verursacher der Investitionsstaus an den Unikliniken. Seit Jahren sähen sie den Problemen weitgehend tatenlos zu.

Hilfe aus dem aktuellen Steuerplus

Die 400 Millionen Euro aus Stuttgart stammen nicht aus einer langfristig angelegten Reserve, sondern von Steuermehreinnahmen im laufenden Jahr. Es ist fraglich, wie lange dieses Füllhorn noch sprudeln wird. Wie hoch der gesamte Sanierungsstau an den vier Unikliniken zu schätzen ist, weiß man beim Finanzministerium angeblich nicht. „Das lässt sich nicht beziffern“, sagt ein Sprecher. Dass es um eine höhere Milliardensumme geht, wird aber nicht bestritten.