Das Unternehmen WEAG betreibt seit drei Jahrzehnten Recycling – sortenrein und mit viel Handarbeit. Die 30 Jahre der Firma erzählen auch die Geschichte der Recyclingbranche in Deutschland. Ein Besuch bei der Firma in Köngen
Wer bei Recycling an riesige Maschinen, Förderbänder und anonymen Müll denkt, kennt die WEAG in der Küferstraße 25 in Köngen nicht. Das Unternehmen, dessen Namen für die Abkürzung für Wertstoff-Aufbereitungs-Gesellschaft steht, arbeitet seit 30 Jahren im Bereich der Abfalltrennung und Wertstoffrückgewinnung. Die 30 Jahre erzählen auch sehr eindrücklich die Geschichte des Recyclings.
30 Jahre ist kein Jubiläum im eigentlichen Sinn. Vor fünf Jahren, im Jahr 2020, wollten der WEAG-Geschäftsführer Ralf Nowak und sein Team einen kleinen Event für Mitarbeiter und Geschäftspartner veranstalten. Ein großes Zelt sollte aufgestellt werden. Dann kam Corona und alles wurde abgeblasen. Da auch das Jahr darauf keine Planungssicherheit versprach, ließ man das Jubiläum verstreichen.
Ein Blick 40 Jahre zurück: In den 80er- und 90er-Jahren drohte ein Müllkollaps, wie es Ralf Nowak heute nennt. Das Müllproblem wurde gelöst entweder durch Deponierung oder durch Verbrennung, der Landkreis Esslingen plante den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Esslingen-Sirnau, von Recycling sprach damals kaum jemand. 1989 taten sich 18 mittelständische Firmen zusammen, allesamt am Markt aktiv mit Containerdiensten und Mitbewerber in der Branche Abfallentsorgung, und gründeten als Solidargemeinschaft die WSA – die Wertstoff-Sortier-Anlage. Die Stuttgarter Firma Schauffele, ein Entsorger, stellte ein angemietetes Gelände zur Verfügung, wo 1995 die Sortieranlage in Betrieb ging. Im Jahr 2004 kam es, nach der Insolvenz und dem Ausscheiden von Schauffele, zur Fusion der heutigen WEAG. Aktuell hat die Firma zehn Gesellschafter.
45 000 Tonnen Material pro Jahr
Heute arbeitet die WEAG mit 30 Mitarbeitern auf einer Fläche von 7 000 Quadratmetern. 45 000 Tonnen Material werden pro Jahr in der Küferstraße verarbeitet, sechs Millionen Euro Umsatz macht das Unternehmen pro Jahr. Die Zulieferer der WEAG sind mittelständische Betriebe, Handwerker, Entsorgungsbetriebe und Privatleute.
In den Büroräumen, in denen Ralf Nowak das Gespräch mit unserer Zeitung führt, ist es ruhig. Von den An- und Abfahrten von Containern und Transportern mit Bauschutt, Holz, Kunststoffen, Folien oder Papier hört man nichts. Draußen, auf der anderen Straßenseite, auf dem Hauptbetriebsgelände, gibt es die Ablageboxen für Bauschutt. Eine Beregnungsanlage verhindert, dass Staub entsteht. Bagger greifen sich die großen Brocken und sortieren vor.
Mittig auf dem Gelände die Waage: Dort wird das Gesamtgewicht einer Fuhre bestimmt, das Material abgeladen, deren Gewicht dann mit einer zweiten Wiegung des leeren Fahrzeugs ermittelt wird. Das Gewicht des Abgabeguts bestimmt den Preis, den der Kunde zahlt. Aber auch der Anteil an Wertstoffen, mit denen dann die WEAG weiterwirtschaften kann, fließt in die Preisgestaltung ein.
Auf Handarbeit kann nicht verzichtet werden
Die lang gestreckte Halle auf dem Gelände ist so etwas wie das Herzstück der WEAG. Dort geht das Sortieren in die Tiefe, ins Detail, dort geschieht feinste Stofftrennung. Auf Förderbändern bewegt sich das Material unter einem Magnetabscheider, der Metalle herauszieht. Siebe und Windsichter filtern Kunststoffteilchen, Papier, Styropor und feine Mineralikteile aus. Trotz ausgefeilter und innovativer Technik – demnächst soll ein KI-gestützter Scanner die Zusammensetzung des Materials erkennen – kann auf Handarbeit nicht verzichtet werden. Die Facharbeiter an den Bändern mit dem sachkundigen Blick auf das Material sorgen für die endgültige Sortenreinheit. „Handverlesen“ nennt Ralf Nowak das Ergebnis. Diese so gewonnenen Wertstoffe werden an Unternehmen weitergeleitet, die das Material wieder dem Wirtschaftskreislauf zuführen. So geht Beton beispielsweise zur Bauschuttaufbereitung und kommt als Recyclingmaterial in die Betonproduktion oder wieder in den Straßenbau. Aus Holzresten entstehen Späne und später Spanplatten, Kunststoffe fließen in die Produktion von Kunststofffenster.
Die Arbeit wird nicht einfacher. Besonders die Entwicklung im Baubereich stellt das Unternehmen vor neue Aufgaben. Dämmstoffe etwa – wie Styropor oder Mineralwolle – sind der Standard für die Energieeffizienz von Gebäuden, erschweren aber die stoffliche Trennung massiv. „Das ist ein Horror für den Verwerter, das Thema ist nicht zu Ende gedacht“, sagt Nowak. Moderne Verbundstoffe seien oft so stark miteinander verbunden, dass sie sich nur schwer oder gar nicht mehr separieren ließen.
Was sich nicht mehr weiter auseinandernehmen lässt, wandert in die Verbrennung, die so gewonnene Energie kann der Fernwärme zugeführt werden. Mineralische Stoffe, die nicht recycelt werden können, gehen auf die Deponie. Im Gegensatz zu früher ist das nur noch ein Bruchteil. Das Ziel ist dabei immer, sortenreine Mineralik zu haben, damit das Material deponiert werden darf.
In 30 Jahren WEAG spiegelt sich auch der Aufstieg des Recyclinggedankens. Während es Anfang der 90er Jahre noch vor allem darum ging, überhaupt die gewaltigen Müllmengen zu bewältigen, setzte sich mit der Zeit immer mehr die Einsicht durch: In diesen Abfällen steckt ein Rohstoffschatz. Die Herausforderung verlagerte sich – vom Quantitativen zum Qualitativen.
So viel Metall wie für den Eiffelturm verwendet wurde
Lehre und Forschung
Recycling ist auch Thema in Lehre und Forschung geworden: Der 62-jährige Nowak, studierter Bergbauingenieur, hat mittlerweile einen Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Absolventen der Studiengänge „Energie- und Ressourcenmanagement“ und „Nachhaltiges Management“ arbeiten bei der WEAG, junge Menschen, die in dieser Richtung studieren wollen, absolvieren ihre Praktika im Köngener Betrieb.
Eiffelturm
In den vergangenen 30 Jahren hat die WEAG rund eine Million Tonnen Material verarbeitet. „So viel Metall wie für den Eiffelturm verwendet wurde, haben wir erarbeitet, und mit den Kabeln, die wir herausgefiltert haben, könnten wir den Erdball einmal komplett umwickeln“, sagt Nowak.
Pferd und Feuerwehr
Auch für andere Zwecke taugt die WEAG. Die WEAG-Waage wurde vor Jahren für das Wiegen eines Pferdes eines Privatbesitzers genutzt. Und die Köngener Feuerwehr hat einen Laster mit Schwelbrand auf das WEAG-Gelände geschleppt, um ihn dort fachmännisch zu löschen. Auf der Landstraße, wo der Lkw liegengeblieben war, gab es keinen Wasseranschluss.
Hand und Auge
Die Handarbeiter am WEAG-Band haben schon Mobiltelefone, einen Schlüsselbund und ein für ein Unternehmen sehr wertvolles Musterprüfstück aus den Resten gezogen.