Schwer gefragt sind derzeit Firmen, die sich um Unterbringung, Verpflegung und Sicherheit von Flüchtlingen kümmern. Viele Anfragen müssen sie ablehnen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei European Homecare (EHC) kommen sie mit dem Aktualisieren der Internetseite kaum noch hinterher. Das Essener Familienunternehmen, heißt es dort, betreue derzeit mit 900 Mitarbeitern 15 000 Flüchtlinge in 90 Unterkünften. Doch dieser offenbar erst wenige Wochen alte Stand ist schon wieder überholt. Inzwischen kümmere man sich mit 1500 Mitarbeitern um 40 000 Menschen in 120 Einrichtungen, berichtet der eigens von der Firma engagierte PR-Berater. Und es könnten noch erheblich mehr sein: Die Nachfrage sei „gigantisch“, ständig kämen neue Anfragen – aber acht von zehn müsse man aus Kapazitätsgründen ablehnen.

 

Herrscht also „Goldgräberstimmung“ bei dem Mittelständler, der in Deutschland Marktführer unter den Flüchtlinge betreuenden Firmen ist? So uneingeschränkt könne man das nicht sagen, meint der Sprecher. Die Aufträge würden ja im Wettbewerb vergeben, und da zähle das wirtschaftlichste Angebot, also letztlich der Preis. Mit seiner schlanken Verwaltung und den schnellen Entscheidungsabläufen sei European Homecare da im Vorteil, ähnlich wie Aldi in der Discounterbranche. Auf der Homepage wird freilich nicht das Geschäft, sonder die soziale Dienstleistung in den Vordergrund gestellt: Man helfe der Politik bei der Erfüllung der Aufgaben, „die sich aus dem Grundrecht auf Asyl ergeben“, steht dort.

Verantwortlich bleiben die Regierungspräsidien

Auch in Baden-Württemberg wird diese Hilfe oft und gerne in Anspruch genommen. Kein anderes privates Unternehmen ist im Südwesten so stark engagiert wie EHC. Nach einer Übersicht des Integrationsministeriums für die Stuttgarter Zeitung (Stand Oktober) wurden die Essener als Betreiber von zehn von insgesamt 24 Großunterkünften beauftragt, ob Landes- (LEA) oder Bedarfserstaufnahmestellen (BEA) oder Notunterkünfte. Ob in Ellwangen, Mannheim, Meßstetten oder Freiburg: überall erhielt European Homecare den Zuschlag. Erst mit erheblichem Abstand folgen weitere Firmen oder das Deutsche Rote Kreuz (DRK).

Zuständig für die Auftragsvergabe sind die vier Regierungspräsidien, bei denen laut Ministerium „die Leitung und damit die Verantwortlichkeit“ für die Einrichtungen liegt; diese würden also nicht privatisiert. Normalerweise würden die Anbieter per Ausschreibung ausgewählt, sagt ein Sprecher aus Freiburg für alle vier Mittelbehörden. Wegen des Zeitdrucks komme es schon mal zu einer freihändigen Vergabe, auch dann hole man aber mehrere Angebote ein. Im Zweifel würden Ausschreibungen nachgeholt – wenn dann eine andere als die zunächst beauftragte Firma gewinne, gebe es eben einen Wechsel. Trotz allen Drucks, versichert der Sprecher, werde das Vergaberecht stets eingehalten.

Freiburger Firma Campanet gut im Geschäft

Betreiber, Sicherheitsdienst und Caterer werden von den Präsidien grundsätzlich selbst beauftragt. Man greife „nach Möglichkeit auf bekannte und bewährte Unternehmen zurück“; bei neuen seien gute Referenzen von anderen Behörden hilfreich. Überwiegend setze man auf Firmen, die schon lange auf dem Markt tätig und als leistungsfähig bekannt seien, sagt der Sprecher. Die Präsidien stünden mit diesen in einem engen Dialog, gemeinsam werde der Ablauf in den Einrichtungen fortlaufend optimiert. Wenn es hin und wieder zu „Beschwerden über einzelne Mitarbeiter“ komme, kläre man dies ebenfalls im Gespräch, um die monierten Vorkommnisse fortan zu vermeiden.

Als Betreiber von Flüchtlingsunterkünften ist neben EHC auch die Campanet GmbH gut im Geschäft, an vier Standorten im Land. Sie gehört zur Freiburger IF Immobiliengruppe, die ihr Geld eigentlich mit der Sanierung von Altbauten verdient, hat ihren Sitz aber inzwischen nach Freiberg in Sachsen verlegt. Seit 2011 sei Campanet in dem Bereich tätig, berichtet eine Sprecherin, leitende Mitarbeiter bereits seit mehr als 20 Jahren. In sechs Bundesländern betreue man heute etwa 7000 Flüchtlinge in 25 Einrichtungen; die Schwerpunkte lägen in Baden-Württemberg und Sachsen. Zur Entwicklung des Geschäfts möchte die Firma nichts sagen, wohl aber zu den besonderen Herausforderungen: die lägen aktuell „in der Klärung des Baurechts für die Betreibung der Unterkünfte.“ Auf Platz drei der Betreiber rangiert laut der Ministeriumsstatistik mit drei Einrichtungen das Rote Kreuz. Ob das Engagement am Ende etwas Gewinn abwirft, ist für den Wohlfahrtsverband laut einem DRK-Sprecher nicht entscheidend; man hoffe, zumindest nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Aktuell haben die Rotkreuzler ohnehin andere Sorgen – zum Beispiel die, wo sie weitere Feldbetten herbekommen. Da sei der Weltmarkt inzwischen leer gefegt, berichtet der Sprecher. Aber auch junge kleine Firmen kommen als Betreiber zum Zug, wie die Heidelberger Caring Hand GmbH, die erst im August im Handelsregister eingetragen wurde. Ihr Gegenstand: „Betreuung und Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen.“

Der Weltmarkt für Feldbetten ist leer gefegt

Kräftiges Wachstum bedeutet der Flüchtlingszustrom auch für die Sicherheitsfirmen, die in den Einrichtungen für Ordnung sorgen und sie vor Übergriffen von außen bewahren sollen. Gleich sieben mal wird in der Ministeriumsstatistik die Karlsruher BIG-Gruppe aufgeführt, gefolgt von Wettbewerbern wie Securitas oder der ebenfalls in der Fächerstadt ansässigen Firma Siba Security. Seit Jahresbeginn habe das Engagement enorm zugenommen, heute sei man mit 700 Mitarbeitern an insgesamt 15 Orten im Land im Einsatz, sagt ein BIG-Sprecher. Besonderen Wert legt das Unternehmen nach seinen Worten auf Auswahl und Ausbildung des Personals: Viele Mitarbeiter hätten einen Migrationshintergrund, was den Umgang mit den Flüchtlingen erleichtere. Geschult würden die Leute unter anderem von einem eigenen Psychologen und einem ehemaligen Kriminalbeamten. Für die BIG-Gruppe geht es laut dem Sprecher nicht nur um ein Geschäft, sondern um eine „Herzensangelegenheit“: „Wir wollen unseren Beitrag zu diesem gesellschaftlichen Zeitereignis leisten.“

Die Caterer werden lieber nicht genannt

Keine Auskünfte gibt es vom Ministerium und den Regierungspräsidien zu den Firmen, die die Verpflegung für die Flüchtlinge liefern; man will sie offenbar nicht öffentlich exponieren. Dabei ist es natürlich kein Geheimnis, wer mit dem Catering beauftragt wird. In Meßstetten zum Beispiel kam die Firma Medirest zum Zuge, die zur Compass-Group gehört, dem nach eigenen Angaben „größten Food-Service-Anbieter der Welt.“ Bisher war der Caterer auf Krankenhäuser und Seniorenheime fokussiert; dort, heißt es auf seiner Homepage, sei das Essen „das Highlight des Tages.“

Aber auch ein Mittelständler ist bei der Verpflegung von Flüchtlingen gut im Geschäft: der Drei König Lebensmittelservice aus Schwäbisch Gmünd. Er liefert Mahlzeiten, die speziell nach den Gepflogenheiten in den Herkunftsländern zubereitet werden – unter anderem an Unterkünfte in Bayern. In der Vergangenheit sah sich die Firma schon mal mit Protesten von Flüchtlingen konfrontiert, die ihr vorwarfen, die Nahrung sei überlagert und ungesund. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum Drei König, ganz im Gegensatz zu European Homecare mit seinem PR-Berater, ausgesprochen öffentlichkeitsscheu agiert: Mehrere Anfragen der StZ blieben jedenfalls ohne Resonanz.

Was das Land bezahlt

Vergütung Wie werden die Firmen vergütet, die im Zusammenhang mit Flüchtlingen beauftragt werden? Dazu gibt es nur äußerst dürre Auskünfte. Man sage nichts zu den Vereinbarungen, weil dadurch die eigene Verhandlungsposition verschlechtert werde, heißt es bei den Regierungspräsidien. Was den Personaleinsatz angehe, orientiere man sich an landeseinheitlichen Betreuungsschlüsseln.

Ausgaben Auch das Integrationsministerium sagt wenig zu den Kosten: Es gebe keine einheitlichen Pauschalen je Flüchtling, sie würden von den Präsidien mit den Betreibern ausgehandelt. Nur eine Zahl nennt das Ressort: die „gebuchten Gesamtausgaben“ für die Landeserstaufnahmestellen lägen vom 1. Januar bis 22. Oktober 2015 bei 125 Millionen Euro.