Private Sicherheitsdienste, die in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt werden, geraten weiter ins Zwielicht. Die Staatsanwaltschaft Konstanz ermittelt – wegen des versuchten Anschlags in Villingen-Schwenningen und anderer Vergehen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nach dem Handgranatenwurf von Villingen-Schwenningen geraten private Sicherheitsdienste, die in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt sind, weiter ins Zwielicht. Die Staatsanwaltschaft Konstanz ermittelt inzwischen nicht mehr nur wegen des versuchten Anschlages, sondern auch wegen des Verdachts des Betruges „gegen Angehörige des Security-Gewerbes”. Dies sagte der Behördenchef Johannes Georg Roth und bestätigte damit entsprechende Informationen der Stuttgarter Zeitung. Es gehe um die „fehlerhafte Abrechnung von Dienstleistungen.“ Geprüft werde in diesem Zusammenhang auch, ob ein Anfangsverdacht auf Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt bestehe, fügte Roth hinzu. Gegen welche Firmen sich die Ermittlungen und Vorermittlungen richten, könne man „aus ermittlungstaktischen Gründen“ derzeit nicht sagen. Nach Informationen der StZ ist auch die Tuttlinger Firma, die offenbar Ziel des Anschlages war, ins Visier der Justiz geraten.

 

Das baden-württembergische Innenministerium hatte in einem internen Rundschreiben kürzlich sogar vom „Verdacht des gewerbsmäßigen Betruges“ durch mehrere Wach- und Sicherheitsunternehmen geschrieben. Offensichtlich agierten vielfach Scheinselbständige, „für die keine Sozialabgaben und Steuern abgeführt werden.“ Zudem gebe es Anhaltspunkte, dass die abgerechneten Arbeitszeiten unzutreffend seien. Entsprechende Ermittlungen der Kriminalpolizei, des Zolls und der Steuerfahndung seien im Gange.

Viele Sicherheitsmitarbeiter nicht überprüft

Massive Zweifel äußert das Ressort von Minister Reinhold Gall (SPD) auch an der Zuverlässigkeit der Unternehmen und des Personals: in vielen Fällen sei die Überprüfung von Mitarbeitern unterblieben, vorgelegten Bescheinigungen hätten sich „in mehreren Fällen als Totalfälschungen“ erwiesen. Einige Firmen seien weder gewerbe- noch handels- oder steuerrechtlich gemeldet. Ein Sprecher des Ministeriums verwies auf Anfrage an das Integrationsministerium, das wiederum an die zuständigen Regierungspräsidien verwies. Aus der für Villingen-Schwenningen zuständigen Mittelbehörde in Freiburg hieß es, man habe die Ergebnisse des laufenden Ermittlungsverfahrens noch nicht vorliegen. Staatsanwaltschaft und Polizei hätten bisher auch nicht die betroffenen Firmen benannt. „Auch unsere eigenen Überprüfungen sind noch nicht abgeschlossen,“ sagte der Präsidiumssprecher.

Nach dem Handgranatenwurf hatte es Durchsuchungen bei mehreren Sicherheitsdiensten in den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Tuttlingen gegeben. Dabei wurden offenbar zahlreiche Geschäftsunterlagen beschlagnahmt, insbesondere zu Verträgen und Löhnen. Massive Unregelmäßigkeiten bei den Löhnen könnten – neben nicht eingehaltenen, allerdings verbotenen Gebietsabsprachen – auch der Hintergrund des Attentats sein, hatte der Südwestrundfunk (SWR) berichtet. Er zitierte einen Brancheninsider mit dem Vorwurf, die Löhne würden als Druckmittel im „Krieg zwischen den Unternehmen“ eingesetzt. Mitarbeiter von Subunternehmen bekämen ihr Geld nicht rechtzeitig und seien dann verärgert. Nach StZ-Informationen kommt von den Zahlungen, die die Sicherheitsdienste vom Staat erhalten, oft nur ein Bruchteil bei den Beschäftigten an. Es handele sich um ein höchst lukratives Geschäft, das entsprechend umkämpft sei. In der Branche sind offenbar viele Menschen mit russlanddeutschem oder osteuropäischem Hintergrund tätig.

Regierungspräsidien lassen Auftragsvergabe prüfen

Laut dem internen Schreiben des Innenministeriums deuten die Ermittlungen zum Handgranatenwurf darauf hin, dass ein Zusammenhang „zur Vergabe und Ausübung von Bewachungsaufträgen für Asylbewerberunterkünfte“ bestehe. Verantwortliche und Mitarbeiter verschiedener Firmen seien, wie man inzwischen wisse, „als unzuverlässig anzusehen.“ Die Subunternehmer hätten oft nicht einmal eine Erlaubnis nach der Gewerbeordnung. Die Regierungspräsidien hatte das Ressort daher gebeten, die Praxis der Auftragsvergabe „gründlich zu überprüfen“. Wegen der rasch wachsenden Flüchtlingszahlen hatten die Behörden sehr schnell Sicherheitsdienste mit dem nötigen Personal finden und beauftragen müssen. Man nutze die etwas entspanntere Lage, um die Verträge neu auszuschreiben, hatte die Freiburger Regierungspräsidentin Barbara Schäfer unlängst angekündigt.