Gedeckt wurde die Filialleiterin auch von Vorgesetzten, die die Verkäuferinnen unter Druck setzten und kündigten. Allerdings ohne Erfolg, denn das Arbeitsgericht hat den Frauen recht gegeben. Die Verkaufsleiterin, die hinter vorgehaltener Hand Rambo genannt wurde – bekam einen Strafbefehl, da ihr eine Nötigung der Verkäuferinnen nachgewiesen werden konnte. Das Büro des Schlecker-Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz kennt den Fall und etliche andere Strafbefehle dieser Art.

 

Kurze Zeit nach der Razzia in der Ehinger Fleischzentrale wirft man dem Metzger Erhard Paus vor, er habe 201,14 Euro unterschlagen. Paus ist fassungslos. Er kann sich das nicht erklären. Ihm wird die Daumenschraube angelegt. Ein Vorgesetzter droht so lange mit Polizei und Staatsanwaltschaft, bis der Metzger einen vorbereiteten Text unterschreibt. Er muss den Schlüssel zum Dienstwagen abgeben und darf abtreten. Später ruft ihn ein weiterer Chef an und warnt ihn davor, gegen Schlecker zu klagen. Man würde ihm sonst den Resturlaub nicht auszahlen, einen vierstelligen Betrag wegen einer anderen Sache zurückfordern und ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Paus versteht die Welt nicht mehr. Er hat bis zu 16 Stunden täglich für Anton Schlecker gearbeitet, damit seine Gesundheit und sein Familienglück aufs Spiel gesetzt.

Seit Juli ermittelt Staatsanwaltschaft gegen Schlecker-Familie

„Herr Paus war vermutlich ein Bauernopfer im Hinblick auf die inneren Revision in der Fleischzentrale“, sagt Rechtsanwalt Ehrenfried Göhricke, der Paus vor dem Arbeitsgericht vertreten hat. Dabei fehlt einerseits ein schlüssiger Beweis für die Unterschlagung. Andererseits habe Schlecker „zielgerichtet verhindert, dass die Beschäftigten die ordnungsgemäße Abgabe der Bareinnahmen und Lieferscheine beweisen konnten“. Auch die Richterin am Arbeitsgericht Ulm konnte den Vorgang beim Gütetermin nicht nachvollziehen. Warum sollte Herr Paus einen so krummen Betrag unterschlagen, fragte sie die Schlecker-Vertreterin, die darauf wie auf andere Fragen keine Antwort hatte.

Seit Mitte Juli ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Anton Schlecker, seine Frau, die beiden Kinder und zehn weitere Personen. Grund: Verdacht der Untreue, des betrügerischen Bankrotts und der Insolvenzverschleppung. Für Kenner war dies nicht überraschend: Die Gewerkschaft Verdi hatte schon im Juni einige Immobiliengeschäfte des einstigen Drogeriekönigs und Milliardärs öffentlich gemacht und mit einer Klage gedroht. Er soll mehrere Grundstücke kurz vor der Insolvenz an seine Kinder Meike und Lars verkauft haben. Auch Teile des Firmenvermögens und teure Autos sollen auf Familienmitglieder übertragen worden sein, um sie der Insolvenzmasse zu entziehen. „Geprüft werden müssten auch die Geschäfte der beiden Schlecker-Kinder, die die Schlecker-Logistik LDG übernommen und dem Vater ihre Dienste vermutlich bewusst überteuert verkauft haben“, sagt Bernhard Franke, der beim Verdi-Landesbezirk Baden-Württemberg für Schlecker zuständig ist.

Manchmal musste der Metzger die Scheine, die er bar kassiert hatte, über Nacht oder übers Wochenende zu Hause aufbewahren, ehe sie in einem Tresor in Ehingen zwischengelagert werden konnten. „Da kamen bis zu 5000 Euro zusammen“, sagt Paus, der bei den hohen Summen immer ein mulmiges Gefühl hatte. Am Folgetag hat er das Geld mit den Lieferscheinen im Büro in Ehingen abgeliefert. Quittiert wurde nichts. Eines Tages im Sommer 2011 erscheinen im Büro der Fleischzentrale Beamte mit einem Durchsuchungsbefehl. Die zehn Männer der Steuerfahnder beschlagnahmen körbeweise Rechnungsbücher und andere Akten. Auch im Glasbau werden sie fündig. Schon kurz darauf wird Schleckers innere Revision aktiv. Fahrer werden zurückgerufen, müssen ihre Ware abladen und nachwiegen lassen. Schleckers Leute kennen die Tricks. Sie vermuten, dass sich Beschäftige bereichert haben.

Ein altes Problem der Drogeriemarktkette des „eingetragenen Kaufmanns“ Anton Schlecker. Um Inventurverluste zu minimieren, waren Bezirks- und Filialleiter immer wieder dazu angehalten worden, die Taschen, Spinde und Privatfahrzeuge der Verkäuferinnen zu überprüfen. „Dass das mittlere und untere Management aber selbst zum Täter werden konnte, spielte keine Rolle“, berichtet Christina Frank, die bei Verdi in der Region Stuttgart für Schlecker zuständig ist.

Manipulationen bei der Inventur waren üblich

Frank hat Aussagen von Verkäuferinnen und Detektiven gesammelt, die belegen, dass Schlecker-Angestellte Waren entwendet und die Inventur manipuliert haben. „Einige Verkäuferinnen hatten dann den Mut, dies an höherer Stelle und bei der Polizei zu melden.“ Doch dann habe sich ihre Vorgesetzte – die Detektive nannten sie „Furie“ – fürchterlich gerächt. „Einmal hat mich meine Chefin sogar gewürgt “, berichtet die Verkäuferin Nuriyel Arslal mit zitternder Stimme. „Ich habe keine Luft mehr bekommen.“ Ein anderes Mal seien sie und ihre Kollegin geschlagen worden. In einem späteren Gerichtsverfahren werten die Richter die Aussagen als glaubwürdig.

„Die beiden Frauen waren traumatisiert und konnten zeitweise nicht mehr arbeiten, da sie unter ständigen Angstzuständen litten und mit Psychopharmaka behandelt werden mussten“, berichtet Christina Frank. Kündigen wollte Schlecker der gewalttätigen Vorgesetzten dennoch nicht. Nicht einmal eine Versetzung war durchsetzbar. Deshalb sah sich der Betriebsrat gezwungen, etwas zu tun, was nur selten vorkommt. Er beantragte beim Arbeitsgericht die Kündigung der Frau. Zwei Jahre dauerte es, bis sich die Interessenvertreter durchgesetzt hatten. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erwähnt auch angeblich „fingierte Bestellungen und unerlaubte Entnahme von Waren“ durch die Filialleiterin. Christina Frank wird deutlicher: „Das war wahrscheinlich Hehlerei.“ Denn das Diebesgut sei weiterverkauft worden. Der Fall wird wohl nie ganz geklärt werden.

Die Verkaufsleiterin erhielt einen Strafbefehl

Gedeckt wurde die Filialleiterin auch von Vorgesetzten, die die Verkäuferinnen unter Druck setzten und kündigten. Allerdings ohne Erfolg, denn das Arbeitsgericht hat den Frauen recht gegeben. Die Verkaufsleiterin, die hinter vorgehaltener Hand Rambo genannt wurde – bekam einen Strafbefehl, da ihr eine Nötigung der Verkäuferinnen nachgewiesen werden konnte. Das Büro des Schlecker-Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz kennt den Fall und etliche andere Strafbefehle dieser Art.

Kurze Zeit nach der Razzia in der Ehinger Fleischzentrale wirft man dem Metzger Erhard Paus vor, er habe 201,14 Euro unterschlagen. Paus ist fassungslos. Er kann sich das nicht erklären. Ihm wird die Daumenschraube angelegt. Ein Vorgesetzter droht so lange mit Polizei und Staatsanwaltschaft, bis der Metzger einen vorbereiteten Text unterschreibt. Er muss den Schlüssel zum Dienstwagen abgeben und darf abtreten. Später ruft ihn ein weiterer Chef an und warnt ihn davor, gegen Schlecker zu klagen. Man würde ihm sonst den Resturlaub nicht auszahlen, einen vierstelligen Betrag wegen einer anderen Sache zurückfordern und ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Paus versteht die Welt nicht mehr. Er hat bis zu 16 Stunden täglich für Anton Schlecker gearbeitet, damit seine Gesundheit und sein Familienglück aufs Spiel gesetzt.

Seit Juli ermittelt Staatsanwaltschaft gegen Schlecker-Familie

„Herr Paus war vermutlich ein Bauernopfer im Hinblick auf die inneren Revision in der Fleischzentrale“, sagt Rechtsanwalt Ehrenfried Göhricke, der Paus vor dem Arbeitsgericht vertreten hat. Dabei fehlt einerseits ein schlüssiger Beweis für die Unterschlagung. Andererseits habe Schlecker „zielgerichtet verhindert, dass die Beschäftigten die ordnungsgemäße Abgabe der Bareinnahmen und Lieferscheine beweisen konnten“. Auch die Richterin am Arbeitsgericht Ulm konnte den Vorgang beim Gütetermin nicht nachvollziehen. Warum sollte Herr Paus einen so krummen Betrag unterschlagen, fragte sie die Schlecker-Vertreterin, die darauf wie auf andere Fragen keine Antwort hatte.

Seit Mitte Juli ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Anton Schlecker, seine Frau, die beiden Kinder und zehn weitere Personen. Grund: Verdacht der Untreue, des betrügerischen Bankrotts und der Insolvenzverschleppung. Für Kenner war dies nicht überraschend: Die Gewerkschaft Verdi hatte schon im Juni einige Immobiliengeschäfte des einstigen Drogeriekönigs und Milliardärs öffentlich gemacht und mit einer Klage gedroht. Er soll mehrere Grundstücke kurz vor der Insolvenz an seine Kinder Meike und Lars verkauft haben. Auch Teile des Firmenvermögens und teure Autos sollen auf Familienmitglieder übertragen worden sein, um sie der Insolvenzmasse zu entziehen. „Geprüft werden müssten auch die Geschäfte der beiden Schlecker-Kinder, die die Schlecker-Logistik LDG übernommen und dem Vater ihre Dienste vermutlich bewusst überteuert verkauft haben“, sagt Bernhard Franke, der beim Verdi-Landesbezirk Baden-Württemberg für Schlecker zuständig ist.

„Die Methoden des Anton Schlecker sind von Teilen des Managements übernommen worden“, vermutet Christina Frank von Verdi. Das System habe sich verselbstständigt. Für die betroffenen Frauen und Männer ist dies kein Trost. „Mein Mandant müsste noch rund 25 000 Euro für die vielen nicht bezahlten Überstunden bekommen“, sagt Rechtsanwalt Göhricke. Doch ob Erhard Paus das Geld je sehen wird oder auch nur einen Teil davon, weiß derzeit niemand. Auch die vielen Verkäuferinnen, die noch Ansprüche haben, könnten leer ausgehen, denn die Insolvenzforderungen haben sich mittlerweile auf über eine Milliarde Euro summiert. Ansprüche aus der Zeit vor der Insolvenz können nach aktuellen Schätzungen nur noch zu weit weniger als zehn Prozent befriedigt werden. Und auch das kann noch Jahre dauern.