Zwischen Weinstand und Cocktailbar dreht sich alles ums Sehen und Gesehen werden. Die Stammgäste haben ihre eigene Strategie zur Kontaktaufnahme.

Stuttgart - Das Epizentrum liegt zwischen dem Weinkontor und dem Starclub. Kaum einer der Fischmarktbesucher dürfte wissen, was für wohlklingende Namen der Getränkestand unter den Kastanien und die Bar vis-à-vis zu Füßen des Reiterstandbilds auf dem Karlsplatz eigentlich tragen. Was für sie zählt, ist die breite Freitreppe. „Standing Ovations“ sozusagen, sehen und gesehen werden, elf Abende lang, wenn es nicht gerade schüttet.

 

„Das ist nur der Bruder“, erklären zwei junge Frauen aus Stuttgart entschuldigend, die gerade mit ihren vier Nachbarinnen am Stehtisch anstoßen. Schließlich steht man zwei Stunden nebeneinander, da kennt man sich quasi.„Ich geh auch gleich wieder“, sagt der einzige Mann am Tisch achselzuckend. Auf dem Fischmarkt bleiben die Mädels (zunächst mal) gern für sich. „Der halbe Sommer ist rum, da müssen wir Frauen uns doch mal austauschen bevor er vorbei ist“, sagt Katharina Enke aus Stammheim.

Die Damen aus der Runde sind sich nicht ganz einig, ob nun das Stuttgarter Sommerfest oder der Hamburger Fischmarkt das schönere Ambiente haben. Einigkeit herrscht aber darin, dass das Weißweinschorle im Henkelglas gar nicht geht. „Das gab schon letztes Mal Theater. Wir wollen ein Stielglas“, betont Sabine Schaller aus Vaihingen/Enz.

Eine Kontaktaufnahme ist immer mal drin

Und wie sieht es mit dem Angebot an Männern aus? Offenbar gar nicht schlecht. Es seien ein paar „Hübsche“ dabei, wird konstatiert. Aber man sei nicht wegen der Männer da, „sondern wegen uns“.

Ein paar Meter weiter macht Martin Umbach aus Nürtingen in schwarz-glitzerndem Outfit eine gute Figur. Er redet Klartext: „Hier mach’sch die Mädels an, anders als am Sommerfest oder beim Weindorf“. Warum? Oben an der Bar habe man einfach Spaß, und zwar beidseitig, im weiteren Verlauf des Abends sei eine Kontaktaufnahme immer mal drin. „Jeder checkt, ob es länger, kürzer oder nur heimgeht.“

Umbach gehört zu den treuen Stammgästen, auch wenn er beteuert, dass er nie jemanden mitgenommen habe. Der schlanke Mann mit den grauen Haaren ist fast jeden Abend Kunde von Barkeeper Olaf. „Das ist ein feiner Kerl“, sagt Umbach. Sich selbst nennt er einen „Feschtlesfetischisten“, 297 Feste habe er diesen Sommer noch vor sich, manchmal fünf, sechs an einem Tag. Die Feste, erklärt er das Phänomen, seien für viele der Gäste eine Art Urlaubsersatz: „Die Leut‘ druckt’s raus.“

Ein Geheimtipps eines Experten

Das passt zur Beobachtung eines Paares, das die Szenerie vom Rand aus verfolgt: „Hier auf dem Fischmarkt sieht man die Generation, die sich noch nach alter Tradition auf der Straße trifft und nicht übers Internet.“ Es sei gut, dass es gerade für nicht mehr ganz so junge Singles Veranstaltungen wie diese gäbe. In der Tat steht der Fischmarkt am Anfang eines Dreiklangs, den Sommerfest und Weindorf fortsetzen. Das Motto könnte man so umschreiben: In der Hälfte des Weindorfs ist der Sommer vorbei. Wer da noch keine(n) hat ... Früher war das legendäre Felsenfestle in Untertürkheim bereits an Pfingsten der Start der Flirt-Saison. Seit 2010 ist es Geschichte, dafür gibt es aber die Quartiersfeste wie das Bohnenviertelfest, das am Donnerstag beginnt, das Henkers- oder das Marienplatzfest, wo sich allerdings eher ein jüngeres Publikum trifft.

Experte Umbach gibt den Fischmarkt-Neulingen noch einen Tipp: „Du musst den Betrunkenen simulieren, dann darfst du die Frauen umarmen“. Dabei hebt er das Sektglas und zwinkert mit den Augen.