Im Mutterland des Sushi kommt immer weniger Fisch, dafür mehr Fleisch auf den Teller. Sinkende Preise und Nachwuchssorgen im Blick, versuchen südjapanische Fischer gegenzusteuern.

Tokio - Nach einem beherzten Schlag auf den Kopf ist das Zucken vorbei. Das Maul der Makrele bleibt weit offen. Schon ergreift der Fischer, von Kopf bis Fuß in wasserfester Kleidung, den nächsten Leib und holt mit einem blutbefleckten Holzknüppel kräftig aus. Hinter ihm zieht ein Mann die getöteten Fische am Schwanz aus einem rotgefärbten Becken und legt sie auf ein Förderband Richtung Fischmarkthalle. Dort werden die Meerestiere in Styroporboxen auf Eis gebettet. Eine Lage Luftpolsterfolie schützt sie für den Versand, etwa zum weltgrößten Fischmarkt Tsukiji in Tokio, mehr als tausend Kilometer entfernt. Eine einzelne Makrele wird dort für bis zu 4500 Yen gehandelt, umgerechnet rund 40 Euro. Das ist viel im Vergleich zu Makrelen aus anderen Regionen. Denn die „Sekisaba“- und „Sekiaji“-Makrelen aus Oita sind die ersten Speisefische, die in den achtziger Jahren in Japan als Marke eingetragen wurden.

 

Lange galten die schnell verderblichen Makrelen als ungeeignet für den in Japan so beliebten rohen Verzehr als Sushi oder Sashimi. Dass dies bei Oita-Makrelen möglich war, ließ reiche Gourmets in Tokio vor knapp 30 Jahren, als Japan zur Zeit der Blasenwirtschaft in Geld geradezu schwamm, tief in die Tasche greifen: Rund 30 000 Yen, umgerechnet 260 Euro, kostete damals eine einzige Oita-Makrele. Bald kamen Fälschungen auf den Markt. Die Fischer nahmen es sportlich: „Fälschungen sind die Messlatte einer Marke“, sagt der Fischer Naoki Sugawa. Der 49-Jährige betont stolz, dass nicht sie, sondern die Kunden durch ihre Nachfrage die Marke geschaffen hätten.

Die Fischer angeln die Makrelen mit der Leine

Die Qualität der Oita-Makrelen wird dem Fanggebiet und der Fangmethode zugeschrieben. Die Tiere leben in der nur 13 Kilometer schmalen Bungo-Meerenge, die den Pazifik mit der Seto-Inlandsee verbindet. Weil sie dort gegen eine starke Strömung anschwimmen müssen, seien ihre Körper recht straff.

Die Fischer angeln die bis zu einem halben Meter langen Makrelen Stück für Stück mit langen, mit Angelhaken versehenen Leinen, die bis zu hundert Meter in die Tiefe gelassen werden. Ob ein Fisch angebissen hat, spürt ein erfahrener Fischer am Gefühl der Leine in der Hand.

Ein geschickter Fischer könne deutlich mehr verdienen als ein Büroangestellter im gleichen Alter, sagt der Leiter des Fischmarktes, Ichiro Sakai. Er erzählt von einem 45-Jährigen, der vor neun Jahren aus Kyoto nach Oita kam und vorher nicht als Fischer arbeitete. Dieser habe seither sein Einkommen auf mehr als neun Millionen Yen, rund 80 000 Euro, verdoppeln können, weit über dem Durchschnittslohn.

Trotzdem fehle es an Nachwuchs. Die harte körperliche Arbeit schreckt ab. Zwischendurch sank die Zahl der Fischer auf unter 200. Zum Ausgleich warb man Fischer aus anderen Regionen an oder lernte Branchenfremde an – durchaus mit Erfolg. Aktuell zähle die Fischereikooperative 570 Köpfe, sagt Sakai. Dennoch: Jedes Jahr würden es 20 bis 30 Fischer weniger. Im Durchschnitt seien diese über 70 Jahre alt, nur ein Dutzend zwischen 20 und 40.

Der neue Fischmarkt steht auf möglicherweise verseuchtem Boden

Die Branche steht vor weiteren Veränderungen: Denn momentan ist unklar, wie es mit dem größten Fischmarkt Japans, dem Tsukiji in Tokio, weitergeht. Die wichtigste Drehscheibe des Fischhandels in Japan sollte im November innerhalb der Stadt umziehen. Das würde höhere Mieten für die Großhändler bedeuten und womöglich negative Folgen für die Oita-Fischer haben. Doch derzeit liegt der Umzug wegen des möglicherweise verseuchten Bodens, auf denen die brandneuen, einzugsbereiten Hallen stehen, auf Eis. In Oita ist man ohnehin schon länger dabei, präventiv die Lieferkanäle umzustellen: weniger an den Tsukiji, mehr direkt an Restaurants. Das hervorragende japanische Transportsystem macht dies möglich.

Eine weitere Gefahr sehen die Fischer in der Konkurrenz durch billigen Fisch aus dem Ausland sowie durch Fleisch. Seit 2006 konsumieren Japaner mehr Fleisch als Fisch, Tendenz steigend. Die Umsetzung des kürzlich unterzeichneten transpazifischen Partnerschaftsabkommens unter der Führung Amerikas könnte diese Tendenz noch verschärfen. Sugawa bringt es auf den Punkt: „Wenn ein Fisch 1000 Yen kostet und ein Kilo Fleisch 1000 Yen – was essen Sie wohl?“

Die Fischer setzen auf Klasse statt Masse

An der Fangmenge können und wollen die Fischer nichts verändern, etwa durch den Einsatz von Netzen. Zu viel Angebot würde die Preise drücken. Aber das größere Problem scheint zu sein, dass die Bestände der Tiere zurückgehen. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich die Umwelt spürbar verändert, sagt Sugawa. Nun würde man Fische aus südlicheren Gefilden fangen, die es in Oita früher nicht gab. Als den Fischern vor einigen Jahren besonders wenig Makrelen an die Angel gingen – pro Tag und Fischer eine bis zwei – fürchteten sie gar, ihr Markenfisch könne aussterben.

Der Fischmarktchef Sakai setzt für die Zukunft auf Klasse statt Masse. Wenn es nach ihm ginge, würden auch hundert Fischer reichen, solange sie erfolgreich sind. „Wenn jeder im Durchschnitt zehn Millionen Yen Profit machen würde, wäre das genug. Dafür muss man die Marke erhalten und sicherstellen, dass die Qualität nicht sinkt“, sagt Sakai.