Der Max-Eyth-See ist tot. Der Stuttgarter Bürgermeister Dirk Thürnau sagt, dass die Extremsituation nicht zu verhindern gewesen sei. Und er erklärt, wie die Stadt ein erneutes Kippen des Gewässers verhindern möchte.

Stuttgart - Angler haben die verendeten Fische tonnenweise aus dem Max-Eyth-See herausgeholt. Das Entsetzen bei Bürgern und Politikern ist groß. Die Tierrechtsorganisation Peta fordert nicht nur ein Mahnmal, sondern, dass angesichts seines Zustands keine Fische mehr in den See eingesetzt werden. Der Bezirksbeirat Mühlhausen und die Angler verlangen seit langem ein Gesamtkonzept für den See. Technikbürgermeister Dirk Thürnau äußert sich nun zur Lage. Wir haben das Interview geführt, bevor sich die Situation am Freitag Nachmittag wieder verschärft.

 

Herr Thürnau, warum gibt es noch kein Gesamtkonzept für den Max-Eyth-See?

Wir arbeiten seit Jahren kontinuierlich mit allen Beteiligten an der Wasserqualität des Sees. Er wird ständig überwacht und alle Maßnahmen mit einem Limnologen sowie den Experten in den Ämtern abgestimmt. Man darf jedoch nicht vergessen: der Max-Eyth-See ist ein künstlich angelegter Flachwassersee ohne natürlichen Zu- und Ablauf. Er ist daher durch eine hohe Nährstoffverfügbarkeit im Wasserkörper und im Sediment gekennzeichnet. Seine Wasserqualität wird durch verschiedene weitere Faktoren bestimmt. Deren Wechselwirkungen und Zusammenhänge sind äußerst komplex und das Gesamtsystem kann von uns nur schwer beeinflussen werden.

Wann stellt die Stadt erste Lösungen vor?

Das Tiefbauamt arbeitet mit weiteren Fachämtern seit mehr als einem Jahr an zusätzlichen dauerhaften Lösungen, um Extremsituationen vorzubeugen. Konkrete Vorschläge wollen wir Ende 2019 in den Ausschüssen präsentieren. Unser Ziel ist es, diese Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen. Parallel will die Stadtverwaltung mit allen Beteiligten, insbesondere mit dem Württembergischen Anglerverein und der Stiphtung Christoph Sonntag, zeitnah Gespräche führen, um sich über die neuen Lösungsansätze auszutauschen.

Was tun Sie gegen das Fischsterben dort?

Vor allem haben wir in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass die Wasserqualität im Max-Eyth-See besser wird. Da der See keine eigene Frischwasserzufuhr hat, wurde eine geschaffen. Damit können wir Wasserverluste ausgleichen. Ebenso haben wir den Zufluss von Neckarwasser gestoppt. Das Neckarwasser ist sehr nährstoffreich und sorgt dafür, dass sich mehr Algen bilden können. Außerdem haben wir in den Jahren 2011 und 2016 mit einem sogenannten Fällmittel den hohen Nährstoffgehalt im Wasser reduziert. Diese Maßnahmen haben die Wasserqualität bereits erheblich verbessert. Zudem gibt es ein enges Monitoring durch einen Limnologen und unsere eigenen Mitarbeiter. Die diesjährige Extremsituation konnten wir leider trotzdem nicht verhindern.

Hat die Stadt es versäumt, ausreichend geeignete Maßnahmen einzuleiten, nach den letzten Fischsterben in den letzten Jahren?

Wie gesagt, arbeiten wir stetig an der Wasserqualität und kontrollieren sie im Max-Eyth-See wie in allen anderen Seen regelmäßig, in den heißen Perioden teils mehrmals am Tag. Trotzdem hat uns die jetzige Situation überrascht. Der Umbruch kam quasi über Nacht. Die Werte, die wir noch am Samstag, 31. August, gemessen hatten, deuteten nicht auf das Kippen am Sonntag darauf hin. 2018 konnten wir mit Hilfe von Pumpen das Seewasser umwälzen und den Sauerstoffgehalt des Seewassers stabilisieren. In diesem Jahr zeigte der Einsatz aber leider nicht die erhoffte Wirkung. Wir analysieren die Vorgänge nun genau, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Warum wurde die neu angelegte Renaturierungszone am See nicht gleich von vornherein tiefer gemacht und warum wurden dort keine Wasserpflanzen gepflanzt, die das Algenwachstum dort verhindern?

In der Renaturierungszone wurde Schilf gepflanzt. Der Schilfgürtel klärt das Wasser und entzieht Nährstoffe. Die Wassertiefe wurde an die Bedürfnisse des Schilfs angepasst. Auch andere Wasserpflanzenarten können das Algenwachstum nicht verhindern, da der See immer noch sehr nährstoffreich ist und die Wassertemperatur in Flachwasserseen im Sommer schnell steigt – ideal für Algen.

Warum wurden nicht Wasserpflanzen im ganzen See gepflanzt? Dieses Jahr hatten sich welche ausgebreitet und für ein gutes Sauerstoffklima gesorgt.

Wasserpflanzen sehen wir grundsätzlich positiv für die Wasserqualität. Zuletzt hat sich insbesondere das Krause Laichkraut ausgebreitet – so stark, dass zeitweise sogar das Bootfahren eingeschränkt war. Dies führen wir auf die verbesserte Sichttiefe im Wasserkörper zurück: die Pflanzen bekommen durch das klarere Wasser mehr Licht. Trotzdem haben sich parallel auch Algen gebildet. Mit zunehmender Trübung des Wassers hat sich das Krause Laichkraut innerhalb weniger Tage aufgelöst und somit den Nährstoffgehalt im Wasser weiter erhöht. In Verbindung mit der sonnigen Witterung kam es zu einer Algenblüte. Hierbei haben sich auch Blaualgen gebildet, deren Stoffwechselprodukte potenzielle Giftstoffe absetzen können. Daher haben wir auch vor dem Kontakt mit dem Wasser gewarnt. Bei den künftigen Maßnahmen wird daher auch untersucht, ob andere Arten von Wasserpflanzen angesiedelt werden.

Warum wird nicht die Zuleitung zum Neckar wieder geöffnet, damit es einen Wasseraustausch zwischen See und Neckar gibt?

Weil dies kontraproduktiv wäre. Dass wir den See 2016 vom Neckar abgetrennt haben, war ein wichtiger Eingriff für die Qualität des Wassers im See. Denn das Neckarwasser hat einen hohen Phosphatgehalt. Dieses nährstoffreiche Wasser befördert in stehenden Gewässern unter anderem das Algenwachstum. Dem Wasser des Max-Eyth-Sees haben wir zuletzt vielmehr das Phosphat mit Hilfe eines Fällmittels gezielt entzogen.

Warum hat der Württembergische Anglerverein keinen Stromanschluss am Ufer für seine Teichbelüfter bekommen, wie gewünscht war, damit die Teichbelüfter-Aktion weniger personalintensiv laufen kann?

Wir arbeiten wie gesagt bereits an dauerhaften Lösungen und prüfen unterschiedliche Ideen und Ansätze. Denkbar ist beispielsweise eine stationäre Belüftungsanlage, die auch präventiv eingesetzt werden kann, um einen Abfall des Sauerstoffgehalts zu verhindern. In der Zwischenzeit war geplant, eine erforderliche Stromversorgung, zum Beispiel durch Aggregate des Technischen Hilfswerks sicherzustellen.