Der Polit-Rentner Rezzo Schlauch hielt am Aschermittwoch die Fastenrede in Böblingen. Für seine Attacken wurde er ausgepfiffen.

Böblingen - Selten hat in den vergangenen Jahren ein Fastenredner beim traditionellen Fischsuppenessen in Böblingen seine Aufgabe so ernst genommen wie am Mittwochabend Rezzo Schlauch. Der frühere Bundestagsfraktionschef der Grünen und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der im Jahr 1996 bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl Wolfgang Schuster nur knapp unterlegen war, holte nicht nur zum politischen Rundumschlag aus. Er las auch den Gastgebern gehörig die Leviten.

 

„Es gibt nichts Schlimmeres für einen Rechtsanwalt als zerstrittene Nachbarn vor dem Kadi“, sagte der Jurist Schlauch im Hinblick auf die Pläne Böblingens gegen die geplante Erweiterung des Sindelfinger Breuningerlands rechtlich vorzugehen. „Liebe Böblinger, lasst euch nicht blenden von dem großen Stern und lasst euch nicht kirre machen vom Breuningerland“, rief der Fastenredner den mehr als 900 Gästen zu. Die Böbinger sollten sich stattdessen auf ihre eigenen Stärken besinnen. Auf ihre „Internationalität mit Unternehmen wie HP und IBM“, auf die wirtschaftlichen „Eigengewächse wie Eisenmann, die längst global Player geworden sind“. Und auf die vielen ehrenamtlich Engagierten in den Vereinen und sozialen Organisationen.

Buh-Rufe und Pfiffe vom Publikum

„Baut mit Sindelfingen gemeinsam den Deckel über die Autobahn und lasst zusammenwachsen, was zusammengehört“, sagte Schlauch. „Dies wäre ein kommunaler Leuchtturm in der Region Stuttgart.“

Nicht erst bei seinem Aufruf zur Fusion mit der Nachbarstadt erntete der Fastenredner Pfiffe und Buh-Rufe. Bereits bei seinem politischen Rundumschlag zuvor hatte es immer wieder Zwischenrufe gegeben. Doch dies schien den Redner nur noch mehr anzustacheln. „Ihr habt meine Fastenrede genauso anzuhören, wie sie ist“, sagte er zu einem Zuhörer, der lautstark immer wieder „Aufhören“ rief.

Bibelvers dient als Vorlage

Als Motto für seine Rede hatte sich der schwäbische Pfarrerssohn einen Bibelvers aus dem dritten Buch Mose, Kapitel 16, gewählt. Darin lädt Aaron einem Bock alle Frevel auf und schickt das Tier in die Wüste. So würden es bis heute viele machen, sagte Schlauch. „Man sucht sich einen Sündenbock und schickt ihn in die Wüste.“

Lang war die Liste der Sünden und Verfehlungen und die der Sünder, die der Redner auflistete. „Zuallererst die Kirche selbst.“ Diese habe nach jahrzehntelangem Vertuschen der Missbrauchsskandale nun endlich Aufklärung versprochen. Doch das sei dann schnell vorbei gewesen. Ihr Fett bekam auch die schwarz-gelbe Bundesregierung weg. Die Kanzlerin rügte er für ihre Europa-Politik – und lobte ihren Vorvorgänger Helmut Kohl. Die schwarz-gelbe Koalition kritisierte der „Polit-Rentner“ (Schlauch über sich selbst) für ihre andauernden Streitereien. Die Stimmung im Saal kippte vollends, als Schlauch den grünen Umschwung im Land lobte und erklärte: „Auch die Konservativen haben erkannt, dass ein Grüner der bessere schwarze Ministerpräsident ist“, schloss Schlauch.

„Aufhören“, tönte es von hinten aus dem Saal. „Ich merke, dass Sie sich aufregen, also ist es eine gute Fastenrede “, stellte Schlauch zufrieden fest.