In der Familie Tönnies zeichnet sich nach Jahren des heftigen Streits eine einvernehmliche Lösung ab. Firmenchef Clemens, der auch Präsident von Schalke 04 ist, und sein Neffe Robert haben offenbar Frieden geschlossen.

Rheda-Wiedenbrück - Im Fleischimperium Tönnies zeichnet sich nach Jahren eines heftigen Streits innerhalb der Familie eine einvernehmliche Lösung ab. Anders als in den meisten vergleichbaren Fällen haben Firmenchef Clemens Tönnies, der im Nebenberuf Präsident des Sportvereins Schalke 04 ist, und sein Neffe Robert Tönnies offenbar Frieden geschlossen. Mark Binz, Seniorpartner der Stuttgarter Anwaltskanzlei Binz & Partner, die auf die bundesweite Beratung großer Familienunternehmen spezialisiert ist, bestätigt gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass „Gespräche über eine unternehmerische Lösung“ geführt werden, will sich aber aus Gründen der Vertraulichkeit zu Einzelheiten nicht äußern. Ähnlich klingt eine Äußerung von Clemens Tönnies gegenüber dem „Handelsblatt“; zudem sagt er: „Ich bin hoffnungsfroh, dass wir das hinkriegen.“

 

Zuletzt haben Clemens und Robert Tönnies ihren Streit um die Macht im größten deutschen Fleischkonzern, der seinen Sitz im westfälischen Rheda-Wiedenbrück hat, bevorzugt unter Einschaltung von Rechtsanwälten und vor Gericht ausgetragen. Der Kompromiss, den die Juristen jetzt noch in Vertragsform bringen müssen: der 37-jährige Robert Tönnies verzichtet auf den Anspruch auf die Mehrheit, und sein Onkel Clemens Tönnies bringt umstrittene private Aktivitäten – die er abseits des Konzerns entfaltet hatte – in die Gruppe ein; beide teilen sich zu jeweils 50,0 Prozent die Anteile an einer neu zu bildenden Holding, unter deren Dach die fünf Bereiche Fleisch, Agrar (landwirtschaftliche Betriebe), Grundstücke, Wurst (zur Mühlen-Gruppe) und Pharma (Blutgerinnungshemmer Heparin, der aus dem Darmschleim von Schweinen gewonnen wird) mit fast sechs Milliarden Euro Umsatz und etwa 10 000 Mitarbeitern angesiedelt werden.

Die Anfänge des Konflikts reichen in die Zeit zurück, als der ältere Bruder von Clemens, Bernd Tönnies, 1994 im Alter von nur 42 Jahren starb. Bernd Tönnies (auch er war Schalke-Präsident, krankheitsbedingt aber nur wenige Monate) hat das Fleischimperium aufgebaut. Er hatte mit 60 Prozent die Mehrheit (40 Prozent lagen bei Clemens), die er an seine Söhne Robert und Clemens jr. vererbte. Clemens Tönnies eroberte die Macht trotz seiner Rolle als Minderheitsgesellschafter in zwei Schritten und berief sich dabei auf den angeblichen Wunsch seines verstorbenen Bruders: „Du musst weitermachen, und du kriegst die 50 Prozent“, soll Bernd Tönnies nach Angaben seines Bruders gesagt haben, um dessen jahrelangen Einsatz für das Unternehmen zu honorieren; freilich: einen Beweis für die Existenz dieses Versprechens gibt es nicht. Clemens Tönnies ließ sich ein Doppelstimmrecht einräumen und erwarb durch Schenkung von den beiden Erben jeweils fünf Prozent der Anteile.

Robert wollte aber irgendwann einmal nicht mehr den kleinen Neffen spielen. Er erwarb zwischenzeitlich die Anteile seines Bruders Clemens jr, so dass er nun ebenso wie sein Onkel Clemens 50 Prozent der Anteile hält. Aber er wollte mehr, ging gegen das Doppelstimmrecht vor und wollte die Schenkung wegen groben Undanks und arglistiger Täuschung widerrufen lassen – was ihm dann die Mehrheit beschert hätte. Das Doppelstimmrecht wurde im März 2015 vom Oberlandesgericht Hamm gekippt; eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Den Widerruf der Schenkung begründete Robert damit, dass ihn sein Onkel durch den heimlichen Aufbau eines Schattenreichs hintergangen habe (was dieser natürlich bestreitet). So erwarb Clemens Tönnies fürs eigene Portfolio eine Mehrheit an dem Wursthersteller zur Mühlen, der es mit Marken wie Redlefsen und Böklunder immerhin auf 2000 Beschäftigte und fast eine Milliarde Euro Umsatz bringt. Zudem baute der 58-Jährige in Russland Schweinezucht- und Schlachtbetriebe auf.

Clemens Tönnies, dessen Verdienste um das westfälische Fleischimperium unbestritten sind, hat offenbar erst vor Kurzem erkannt, dass er nicht die besten Karten hat. Vor wenigen Wochen äußerte er sich in einem Interview noch empört über den Vorwurf des groben Undanks und sagte: „Ich werde, wenn nötig, bis zur letzten Instanz für mein Recht kämpfen.“ Zu dem Zeitpunkt standen die Parteien aber schon im engen Kontakt über die Konditionen eines Vergleichs. Zur Diskussion stand dem Vernehmen nach auch eine Realteilung nach der Maßgabe: acht Millionen Schweine für jede Partei. Clemens Tönnies, so ist zu hören, ging es dabei auch um die Absicherung seines Jobs als Chef für die nächsten zwölf Jahre sowie im Anschluss daran die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes – was bei der Gegenseite nicht auf Begeisterung traf.

Zu den noch offenen Detailfragen gehört der Wert der Aktivitäten, die Clemens Tönnies in die Holding einbringt. Dabei geht es um einen dreistelligen Millionenbetrag. Nach dem gegenwärtigen Stand wird Clemens Tönnies dafür wohl keine Zahlung in bar erhalten, sondern eine Gutschrift. Berücksichtigt werden muss auch, dass das Kartellamt gegen die Gruppe zur Mühlen eine Kartellstrafe von 120 Millionen Euro verhängt hat. Klar ist, dass Clemens und Robert Tönnies gleichberechtigte Geschäftsführer der Holding werden.