Die Zustände in Schlachthöfen sind seit den Vorgängen bei Tönnies in aller Munde. Die Kreis-FDP klagt, durch Gesetzesänderungen, aber auch bestehende Vorschriften seien vor allem kleinere Handwerksbetriebe bedroht.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Rems-Murr-Kreis - Die Zustände beim nordrhein-westfälischen Fleischriesen Tönnies waren in den vergangenen Wochen in aller Munde. Doch wie steht es eigentlich um Fleischerzeugung und -verbrauch im Rems-Murr-Kreis? Die FDP/FW-Kreistagsfraktion hat jetzt beantragt, zu untersuchen, wie sich der Fleischkonsum in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, wie die Tiere, die später geschlachtet werden, gehalten werden, wo sie herkamen, wie viele Schlachtbetriebe es im Kreis noch gibt – und nicht zuletzt, ob behördliche Auflagen dazu geführt haben, dass es weniger Schlachter gebe.

 

Die Liberalen wollen daraus Erkenntnisse gewinnen, um die lokalen und regionalen Schlachter zu stärken. Dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Werner Häfele selbst Chef einer Metzgerei ist, ist nur einer der Gründe für den Vorstoß. FDP/FW sehen in der regionalen Erzeugung auch eine Chance, die regionale Wirtschaft zu fördern und die Lebensmittelversorgung unabhängiger von Krisen wie jener bei Tönnies zu machen. Außerdem ist unbestritten, dass Schlachthöfe vor Ort lange Tiertransporte unnötig machen.

Schlachter beklagen die behördlichen Auflagen

Nun ist die FDP nicht gerade dafür bekannt, danach zu schreien, dass sich der Staat in wirtschaftliche Vorgänge einmischt. So hatte der Bundesparteichef Christian Lindner jüngst der „Passauer Neuen Presse“ gesagt, staatliche Eingriffe in die Marktwirtschaft seien „nicht im Sinne des Verbrauchers“. In diesem Fall ging es aber um die Lufthansa-Rettung.

Tatsächlich zielt der Vorstoß der Rems-Murr-Liberalen auch weniger in Richtung aktiver Hilfe für kleine Fleischereien. Vielmehr wollen sie, dass diese entlastet werden, wenn es um behördliche Auflagen geht. „Der beste Metzger, den ich kenne, musste vor ein paar Jahren wegen der Auflagen das Handtuch werfen und aufhören zu schlachten. Ich kenne niemanden, der sich mehr um das Tierwohl gekümmert hätte als er“, klagt Werner Häfele. Und sein Sohn Peter Häfele, Juniorchef im Unternehmen, berichtet, er komme vor lauter Dokumentationspflichten kaum noch zum eigentlichen Arbeiten.

Haußmann: Neues Gesetz kein Problem für Tönnies und Co

Die Bundesregierung plant nun, für Schlachtereien mit 50 und mehr Mitarbeitern Zeitarbeit und Werkverträge zu verbieten. „Es gibt sicher Punkte in dem neuen Gesetz, die sinnvoll sind“, sagt der FDP-Fraktionsvize Jochen Haußmann. „Aber auch regionale Schlachthöfe, bei denen es nie Beanstandungen gab, wären davon betroffen.“ Für Riesen wie Tönnies sei es dagegen ein Leichtes, das neue Gesetz zu umgehen. „Es gibt auch Sondersituationen, in denen Zeitarbeit oder Werkverträge nötig sind“, sagt Haußmann.

Bei vielen der Vorschriften habe der Gesetzgeber große, industrielle Schlachthöfe im Sinn gehabt, sagt Uli Fritz, Obermeister beim Landesinnungsverband. „Für die kleinen Handwerksbetriebe in den Ortskernen waren die Auflagen aber irgendwann nicht mehr erfüllbar.“ Als Beispiel nennt er einen gekühlten Extraraum für Schlachtabfälle, den auch kleine Schlachter vorhalten müssten.

Die Kreis-FDP will nun im Kreistag erreichen, dass die handwerklichen, regionalen Schlachter besser gestellt werden. Potenzial dafür sieht Werner Häfele zum Beispiel bei den Gebühren für die Fleischbeschau, bei denen Großbetriebe bislang besser dastünden. „Und statt immer neue Vorschriften draufzupacken, wäre es doch besser, die bestehenden stärker zu kontrollieren“, sagt Haußmann.

In Krisenzeiten sind viele kleinere Betriebe flexibler als ein Riese

Mehr regionale, aber dafür kleinere Schlachtereien hätten schließlich noch weitere Vorteile, meint der Juniorchef Peter Häfele: „Mit vielen kleineren Betrieben wären die Krisentauglichkeit viel besser gewährleistet.“ Falls ein Riese wie Tönnies mit täglich 20 000 Schlachtungen ausfalle, könne das nicht einfach kompensiert werden. „Wir dagegen könnten die Schlachtung je nach Bedarf vervielfachen“, sagt Werner Häfele. Er betont, lokale Betriebe leisteten viel mehr als Großschlachter und Supermärkte: „Wenn hier die Feuerwehr einen Einsatz hat und nachts 100 Leute mit Weckle verpflegt werden müssen – versuchen sie so etwas mal bei einem Supermarkt“, sagt er.

Der Fleischkonsum der Deutschen nimmt ab

Behördliche Regulierungen müssen jedoch nicht der einzige Grund sein, aus dem immer mehr Schlachter aufgeben. So ist der Fleischverzehr in Deutschland generell zurückgegangen: Aßen die Deutschen 1991 noch rund 64 Kilogramm pro Kopf und Jahr, waren es 2019 rund fünfeinhalb Kilogramm weniger.

Studien zeigen aber auch, dass rund die Hälfte der Verbraucher beim Einkauf auf Siegel achtet. Ein Remstal-Label für Wurst und Fleisch, wäre das nicht etwas? Der Obermeister Uli Fritz hält von einem solchen neuen Siegel nicht allzu viel: „Solche Labels gehen immer auf und unter.“