Die Landesregierung erweitert den Spielraum für Ganztagsschulen. Sie können auf einige Lehrerstunden verzichten und aus dem gewonnenen Budget Partner aus Vereinen und Verbänden für spezielle Angebote ins Boot holen.

Stuttgart - Der geplante Ausbau des Ganztagsbetriebs eröffnet den Grundschulen gänzlich neue Möglichkeiten, sich externe Leistungen zuzukaufen.“ Das betonte Stefan Fulst-Blei, der Bildungsexperte der SPD am Donnerstag im Landtag. Künftig wird das Land mehr Lehrerstunden als bisher finanzieren. So gibt es beispielsweise für Ganztagsbetrieb mit sieben Stunden an vier Tagen in der Woche künftig zwölf statt bisher acht Lehrerwochenstunden. Die Schulen haben jedoch die Möglichkeit, die Hälfte dieser Stunden zu monetarisieren, wie die Haushaltspolitiker sagen. Fulst-Blei rechnet vor: Kalkuliert man mit 2000 Euro pro Lehrerwochenstunde hätte eine Schule bis zu 12 000 Euro im Schuljahr zur Verfügung um für eine Klasse im Ganztagsbetrieb externe Leistungen zuzukaufen.

 

„Mit diesen Kooperationsbudgets setzen wir neue Standards in Sachen Bildungsinnovation“, hebt Fulst-Blei hervor. So könnten Schulen qualifizierte Übungsleiter aus den Sportvereinen für Bewegungsangebote während des Ganztagsbetriebs gewinnen, die Zusammenarbeit mit den Musikschulen intensivieren und „die Schule weiter in die Gesellschaft hinein öffnen“.

Budgets für alle Fälle

Diese Öffnung beschränkte sich bisher oft auf Jugendbegleiter, oder Ehrenamtliche, die vergleichsweise gering entschädigt wurden. Während Jugendbegleiter 7,50 Euro pro Stunde bekommen, sind laut Fulst-Blei für qualifizierte Externe künftig Stundensätze von 45 Euro in der Diskussion. Die Budgets zeichnen sich der Regierung zufolge durch große Flexibilität aus. So müssen sich außerschulische Partner nicht auf ein ganzes Schuljahr festlegen, auch Projekte seien möglich. Auch inhaltlich ist vieles möglich. Der Mannheimer Fulst-Blei hebt hervor: „Erstmals wird für die Kommunen die Tür geöffnet, sich inhaltlich in die Schulen einzubringen“.

Der Sport zeigt sich aufgeschlossen. Der SPD-Landtagsabgeordnete und Präsident des Schwäbischen Turnerbundes, Wolfgang Drexler bestätigt: „Der Sport ist bereit, mehr Bewegung in die Schule zu bringen“. Er findet, „wenn Übungsleiter an den Schulen eingesetzt werden, ist das eine Chance für den Sport, wieder Leute für den Verein zu gewinnen“. Jedoch müssten die Vereine in die Lage versetzt werden, an den Ganztagsschulprogrammen teilzunehmen. Dazu müssten möglichst viele Mitglieder qualifiziert werden. Von den Rahmenvereinbarungen zwischen dem Kultusministerium und den Landesverbänden erwartet Drexler Planungssicherheit und Standards zu Vergütung und Qualifikation.

Verhandlungen mit dem Sport

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) betonte, durch das Kooperationsbudget könnten Schulen „passgenaue Angebote zuschneiden“. Ziel der angestrebten Vereinbarungen mit dem Landessportverband sei es, qualifizierte Übungsleiter an die Schulen zu bringen und eine Stunde Bewegung am Tag zu ermöglichen.

In der Landtagsdebatte zum Ganztagsbetrieb, der zweiten innerhalb einer Woche, forderte Georg Wacker für die CDU einen Zeitplan, wann weiterführende Schulen Ganztagsbetrieb anbieten könnten. Aktuell legt die Landesregierung den Schwerpunkt auf die Grundschulen. Sie wartet, dass im Jahr 2030 rund 70 Prozent der gegenwärtig 2400 Grundschulen Ganztagsschulen sein werden. Wacker kritisierte, Realschulen kämen bei dem Konzept nicht zum Zuge. Timm Kern, der bildungspolitische Sprecher der FDP, warf der Regierung vor, sie wolle Schulen zum Ganztagsbetrieb verpflichten. Damit werde sie vor allem in ländlichen Regionen scheitern. Die FDP dagegen stehe für ein freiwilliges Angebot. Für die Grünen betonte Sandra Boser, jetzt gelte es, für die Ganztagsschulen Akzeptanz zu schaffen. Sie seien eine Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit.

Flexible Vereinbarung

Die kürzlich zwischen dem Land und den Kommunen geschlossene Vereinbarung zum Ganztagsbetrieb an Grundschulen sieht verschiedene Möglichkeiten vor: Das Angebot kann an drei oder an vier Tagen in der Woche stattfinden. Es umfasst sieben oder acht Zeitstunden und ist als Pflichtveranstaltung oder als freiwilliges Angebot möglich.

Mindestvoraussetzung ist eine Ganztagsgruppe von 25 Schülern. Die Teilnehmer können aus verschiedenen Klassen und Jahrgangsstufen kommen. Ab vier weiteren Schülern ist eine zweite Gruppe möglich.Für jede Gruppe stellt das Land je nach Angebot sechs, acht, neun oder zwölf Lehrerwochenstunden bereit. Die Hälfte davon können sich die Kommunen auszahlen lassen.