Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut befeuert den alten Streit um die Ausweitung des Zehn-Stunden-Tages auf zwölf Stunden. Sie bohrt ein dickes Brett – wenngleich mit begrenzten Erfolgsaussichten, meint Matthias Schiermeyer.
Stuttgart - Die Frage drängt sich auf: Warum tut sich die Wirtschaftsministerin den Streit um flexiblere Arbeitszeiten an? Er wird seit vielen Jahren immer wieder geführt, hat aber nie echten Fortschritt gebracht. Zwar agiert Nicole Hoffmeister-Kraut unter dem Druck der Wirtschaft und auch von Teilen der eigenen Fraktion, weshalb sie da nicht tatenlos bleiben kann. Doch handelt es sich im Grunde lediglich um einen Symbolkonflikt. Das Arbeitszeitgesetz ist ein Bundesgesetz. Eine Reform über eine Bundesratsinitiative herbeizuführen, ist daher ein ziemlicher Umweg, wenn nicht gar aussichtslos, weil es zu viele Verbündete braucht. Und wenn die Ministerin mit ihrem Vorstoß zunächst die öffentliche Debatte neu anschieben will, so nimmt sie dafür jede Menge Ärger in Kauf: mit der SPD, den Gewerkschaften und je nach weiterem Verlauf mit dem Koalitionspartner.
Das Gesetz lässt schon viele Ausnahmen zu
In der Sache leuchtet es ein, ein seit 1994 kaum aktualisiertes Gesetz an die Gegebenheiten von heute anzupassen: Die Globalisierung, der digitale Wandel, die Mobilität und veränderte Gewohnheiten der Menschen erfordern neue Standards. Das mit Ausnahmen gespickte Arbeitszeitgesetz gibt aber schon viel Flexibilität her: Zwölf-Stunden-Tage sind völlig legal und werden vielfach angewandt. Die Ministerin will die Ausnahmen quasi zur Regel machen – vor allem in nicht tarifgebundenen Betrieben.
Das Gesetz dient dem Gesundheitsschutz. Die Gegner sorgen sich, dass er leidet. Wenn die Ministerin mehr Verständnis erreichen will, muss sie die Ängste abbauen – im Dialog, nicht brachial. Anzuerkennen ist ihre vor allem intern geäußerte Bereitschaft zu Zugeständnissen an die Kritiker. Doch wie die öffentliche Debatte abläuft, wirkt sie noch nicht sehr zielführend.