Astronomen erhoffen sich von einem Forschungsflug neue Erkenntnisse darüber, wie Sterne entstehen. Möglich macht das ein Hightech-Teleskop an Bord der umgebauten Boeing.
Stuttgart - In den frühen Morgenstunden ist am Montag ein ungewöhnliches Flugzeug auf dem Stuttgarter Flughafen gelandet: In der Maschine sind Sitzreihen ausgebaut worden, hinter einer der Tragflächen lässt sich eine vier mal vier Meter große Luke öffnen – die garagentorgroße Öffnung bietet einem Hochleistungsteleskop freie Sicht. Die Boeing SP – die beiden Buchstaben stehen für „Special Performance“ („besondere Leistung“) – befördert keine gewöhnlichen Passagiere, an Bord sind Astronomen und Ingenieure nach Stuttgart geflogen. Ihre Mission: sie wollen neue Einblicke ins Weltall gewinnen.
Die fliegende Sternwarte Sofia hat ein 17 Tonnen schweres Teleskop an Bord. Ursprünglich war sie bereits am Sonntag in Stuttgart erwartet worden, doch der High-tech-Flieger hob später als geplant in den USA ab. Nun legt Sofia auf dem Flughafen einen Zwischenstopp ein, bevor sie am Mittwochabend kurz nach Sonnenuntergang zu ihrem ersten wissenschaftlichen Beobachtungsflug über Europa aufbricht. Im Visier der Forscher: ein sogenanntes supermassives Loch, das sich in der Galaxie Markarian 231 im Sternbild Großer Bär befindet. Die fliegende Sternwarte nutzt dabei Ferninfrarotlicht: Dank dieser Technik sehen die Astronomen im Weltall Dinge, die für das menschliche Auge sonst unsichtbar wären.
Das hochauflösende Teleskop der Astronomen muss bei extremen Bedingungen perfekt funktionieren: bei minus 40 Grad genauso wie bei plus 20 Grad. „Es wird beim Start und bei der Landung durchgeschüttelt“, erzählt Alfred Krabbe, der Leiter des deutschen Sofia-Instituts. Die Mechanik des Teleskops ist so ausgelegt, dass sie auch bei Turbulenzen in der Luft stabilisiert wird, sodass sie verwertbare Bilder liefert.
Dank Sofia können sich die Forscher ein besseres Bild vom Kreißsaal des Weltalls machen: „Das Teleskop könne Antworten darauf geben, wie sich Sterne und Planeten bilden, erklärt Krabbe. Neue Sterne entstehen im Inneren dicker Staub- und Gaswolken, sie bleiben daher für das menschliche Auge unsichtbar. Die langwellige Infrarotstrahlung dringt jedoch durch diese Staubschicht hindurch und liefert den Wissenschaftlern auf diese Weise neue Erkenntnisse.
Sofia ist das weltweit einzige fliegende Infrarot-Observatorium und eines der größten deutsch-amerikanischen Projekte zur Erforschung des Weltraums. Betreut wird es von Forschern der Universität Stuttgart – fast 30 der insgesamt 45 Mitarbeiter des Deutschen Sofia-Instituts arbeiten an den Außenstellen der Universität in Kalifornien. Sie warten dort das Teleskop und halten es für seine Forschungseinsätze betriebsbereit. Die wissenschaftlichen Experimente, die nun auf dem europäischen Forschungsflug durchgeführt werden, wurden mit einer einjährigen Vorlaufzeit ausgewählt.
Anlass für den Besuch von Sofia in Stuttgart ist die Konferenz „Mission to the Universe“ – dabei tagen noch bis zum Freitag 250 Forscher aus aller Welt auf dem Campus der Uni Vaihingen. Eingeladen hat die Astronomische Gesellschaft, die 1863 gegründet wurde und damit eine der ältesten astronomischen Vereinigungen Europas ist.
Planetariumsshow Der Stuttgarter Flughafen bietet in einem mobilen Planetarium Besuchern kostenlos die Möglichkeit, einen Sofia-Flug anzusehen. Ort: zwischen Terminal 0 und 1. Am Dienstag (10, 11.30, 16 und 18 Uhr), Mittwoch (10 und 11.30 Uhr), Donnerstag (11.30, 16 und 18 Uhr).