Der Fischmarkt sei auch ein Heiratsmarkt. Das behaupten die Beschicker – sie sind mit gutem Beispiel vorangegangen.

Stuttgart - Hier liegt nur die Scholle auf Eis: Auf dem Fischmarkt, meint Andreas Kroll, tauten die Schwaben auf. Der Geschäftsführer der in.Stuttgart ist Veranstaltungsexperte – und er beschreibt das Phänomen diplomatisch: „Da werden Kontakte geknüpft bis spät in die Nacht.“

 

Seine Einschätzung bestätigt Anne Rehberg. Sie managt das ganze Jahr über den Fischmarkt hinter den Kulissen und ist aktuell auf dem Karlsplatz für Hildes Labskaus zuständig – seitdem die Namensgeberin im Ruhestand ist. „Einer musste das ja machen“, sagt die Nachfolgerin. Im Ausgleich für das eher schwer vermittelbare Gericht – „man sieht den Fisch ja nicht, der ist erst mal im Topf“ – entschädigt der Ausblick. Abends ist bei Anne Rehberg weniger los, da kann sie beobachten. Ihre Feststellung: „Der Fischmarkt ist ein großes Schaulaufen. Ein echter Heiratsmarkt.“

Die gebürtige Berlinerin muss es wissen, sie hat bei ihrem ersten, übrigens dienstlichen Besuch in Stuttgart vor 25 Jahren ihren heutigen Mann kennengelernt. Seit 19 Jahren ist sie mittlerweile verheiratet mit Thomas Rehberg alias Käse Tommi.

Bei Olaf Carstensen oben an der Cocktailbar geht es erst um 19 Uhr richtig los. „Davor sind die Stuttgarter eine Stunde vor dem Spiegel gestanden“, mutmaßt Carstensen angesichts der vielen aufwendig zurechtgemachten Gäste. Es scheint sich zu lohnen. Schließlich hat auch der Barkeeper selbst auf dem Fischmarkt „die Frau meines Lebens“ getroffen, eine waschechte Stuttgarterin. Das war vor 17 Jahren, am letzten Abend. „Ich habe mich in diese Frau verguckt.“ Ein Jahr lang konnte er sie nicht vergessen, obwohl er nicht einmal ihren Namen wusste. Tatsächlich haben sie sich im Jahr darauf wieder getroffen, und der Kieler blieb in Stuttgart hängen. Die beiden haben drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne.

Carstensen hat im Kieler Jachtclub vier Jahre Barkeeper gelernt, „ein erzkonservatives Haus“, wie er heute sagt. Sein Engagement auf dem Fischmarkt sei vor 25 Jahren wortwörtlich eine Schnapsidee gewesen. Eine erfolgreiche offenbar. Abend für Abend dreht er die Musik laut, damit ihm auch das Schwäbische leichter fällt, und liest seinen Gästen die Wünsche von den Lippen ab. Meistens sind das immer noch Pina Colada oder Caipirinha.

30 Jahre wird der Fischmarkt im kommenden Jahr. Klaus Moritz, Fischhändler der ersten Stunde, bezeichnet die Achse Hamburg–Stuttgart schon mal als „generationsübergreifende“ Städtepartnerschaft. „Meine Stammkunden und ich zeigen uns schon gegenseitig die Enkel.“ Er habe, bilanziert Moritz, „Entwicklungsarbeit in Sachen Fisch“ geleistet. Inzwischen wüssten die Stuttgarter, dass holländischer Matjes nicht roh ist, sondern quasi salzgereift, wie Bismarckhering mit Bratkartoffeln schmeckt – „und dass man auch Fisch mit Gräten vom Teller essen kann“.

Aalbrötchen riechen nach Heimat

Und wie sieht das eine Hanseatin? Die Schauspielerin Caroline Kiesewetter („Sesamstraße“, „Rote Rosen“) hat sich auf dem Karlsplatz umgeschaut. „Es hat nach Aalbrötchen gerochen, da hab’ ich richtig Heimweh bekommen“, erzählt sie. Sie stammt aus einer Hamburger Familie und ist „mit Krabben aufgewachsen“, wie sie sagt. Der Großvater hatte ein Krabbengeschäft auf dem Fischmarkt.

Seit 19. Mai ist Caroline Kiesewetter schon in Stuttgart, an der Seite von Helmut Zierl spielt sie in der Komödie im Marquardt: „Die Wahrheit“, 47 Vorstellungen en suite, am Sonntag ist die letzte. Davor tritt sie am heutigen Samstag um 13.30 Uhr im Kulturcafé Melva in der Reuchlinstraße im Westen auf – als Jazzsängerin. Ihr zweites deutschsprachiges Album erscheint im September. „Ich komme zurück nach Stuttgart“, verspricht Caroline Kiesewetter. „Ich habe mich in die Stadt verknallt.“