Im Theater Rampe haben die ehemaligen Kultur- und Kreativpiloten Florian Bürkle und Matthias Burgbacher über das Programm vom Ministerium für Wirtschaft informiert. Noch bis zum 30. Juni kann man sich bewerben.

Stuttgart - Matthias Burgbacher und Florian Bürkle wissen noch genau, wie das war, als der Anruf kam. "Ich hab erst mal einen Schnaps getrunken", sagt Bürkle. Bei Burgbacher in der Firma wurde immerhin Sekt ausgeschenkt. Der Anruf war folgender: Burgbacher und Bürkle sind aus 900 Bewerbern aus ganz Deutschland ausgewählt worden, um ein Jahr lang als Kultur- und Kreativpilot Unterstützung bei der Umsetzung und Durchführung ihrer kreativen Ideen zu bekommen. Jedes Jahr zeichnet die Bundesregierung 32 Kultur- und Kreativpiloten aus - Burgbacher und sein Team von Plan Kooperativ aus Heidelberg war 2013 einer der Glücklichen, der Stuttgarter Designer Bürkle ein Jahr später.

 

Die gerade laufende Bewerbungsphase haben die Veranstalter zum Anlass genommen, mit einigen bisherigen Titelträgern auf Tour zu gehen, zu informieren und Werbung für das Projekt zu machen. Die Tour wurde in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes durchgeführt. Am Donnerstagabend waren Burgbacher als Moderator und Bürkle als ehemaliger Kreativpilot in der Bar Rakete im Theater Rampe zu Gast, um den Anwesenden Rede und Antwort zu stehen. Viele waren leider nicht gekommen, was an Temperaturen von mehr als 30 Grade gelegen haben könnte und/oder dem Start des Marienplatzfestes gleich nebenan.

Die Bewerbung ist denkbar einfach

Doch solch kleine Runden haben auch etwas. "Wir lassen den üblichen Ablaufplan jetzt einfach sein, setzen uns an einen Tisch und quatschen", sagte Burgbacher.

Die Bewerbung als Kultur- und Kreativpilot ist denkbar einfach: auf gerade einmal drei Seiten muss der Bewerber sich und seine Idee vorstellen. Die Betonung liegt dabei auf Letzterem. Weder ist es notwendig schon eine Firma oder Agentur zu besitzen, noch ein fertiges Produkt am Start zu haben, lediglich die Idee muss vorhanden sein - und auf drei Seiten überzeugen. Außerdem muss sie mit den Bereichen der Kreativwirtschaft zu tun haben.

Mister Wilson an die Jury verkauft

Burgbacher führt mit Steffen Becker und ihrer Agentur Plan Kooperativ Bürgerbeteiligungen durch. Es geht vor allem um E-Partizipation in urbanen Planungsprozessen. "Plan Kooperativ wurde gegründet, um die notwendige Verflechtung von städtebaulichen Überlegungen mit Bedürfnissen der Anwohnerschaft zügig und effektiv zu gewährleisten, unabhängig davon ob es sich dabei um eine internationale Megacity oder ein ländliche Dorfgemeinschaft handelt", steht dazu auf der Homepage. Mit dieser Idee konnten die beiden nicht nur in der ersten Phase die Jury für sich gewinnen, sondern auch in der zweiten, in der die rund neunzig Ausgewählten ihre Idee vor drei Jury-Gruppen vorstellen - und verteidigen. "Das war hart", sagt Burgbacher. Aber auch erkenntnisreich: "Selbst, wenn wir nicht gewonnen hätten, haben wir bei dieser Runde schon so viel gelernt".

Das kann Bürkle bestätigen. Der Stuttgarter ist Produktdesigner und hat sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht, um Beruf und Hobby zu verbinden: Skateboarding. Seitdem baut er Möbelstücke aus alten Brettern, schreibt Konzepte und ist vor allem mit dem Stück Mister Wilson bekannt geworden, einem Skateboard-Hocker aus alten Decks. Damit hat er sich damals beworben und das mit dem größtmöglichen Erfolg: "Der Hocker wurde mir schon in der Bewerbungsphase von einem Jurymitglied abgekauft", sagt er.

Die Leidenschaft zählt

Auch wenn die Idee während der Bewerbungsphase noch nicht ausgereift sein sollte, sind sich die beiden sicher: Was zählt ist Leidenschaft. Leidenschaft für das Skateboard-Lebensgefühl, oder Leidenschaft für Stadtentwicklung. "Die Jury muss sehen, dass du für die Sache brennst, dass du eine Persönlichkeit bist, der man zutraut etwas zu reißen", sagt Bürkle.

Wer schließlich ausgewählt wird, bekommt ein Jahr lang Coachings an verschiedenen Terminen, darf an einer großen Preisverleihung in Berlin teilnehmen und profitiert vor allem am großen Netzwerk, das alle aktuellen und ehemaligen Piloten bilden. "Das ist wirklich das allerwertvollste", sagt Burgbacher. Gelernt wird an den Workshop-Tagen nicht nur von den Coaches, die aus den verschiedensten Bereichen kommen, sondern auch von den anderen Ausgezeichneten, mit denen man gemeinsam untergebracht ist. "Vor allem von denen, die etwas komplett anderes machen, habe ich viel mitbekommen", sagt Bürkle. Durch das Programm seien schon neue Firmen entstanten, neue Ideen - und sogar ein Hochzeitspaar.

Vom Designer zum Produzenten

Wichtig sei außerdem, dass es sich um kein Business-Coaching handelt. "Kreative Menschen, brauchen andere, kreative Lösungen und Wege", sagt Burgbacher, der inzwischen auch schon als Coach tätig war. Einer seiner Gruppen hat er mit auf den Weg gegeben, öfter zusammen einen trinken zu gehen. "Bei ihnen war alles perfekt: die Idee, das Unternehmen, das Marketing. Nur: sie waren kein Team", sagt er. Der Tipp habe geholfen.

Bürkle habe gelernt wie Vertrieb, Marketing und ähnliches funktioniert. "Ich habe in dem Jahr einen Sprung vom Designer zum Produzenten gemacht", sagt er. Enorm viel Energie aber hätte er vor allem aus den Coachings herausgezogen. Noch immer habe er eine Liste, die er versucht abzuarbeiten.

Beide können nur empfeheln, sich zu bewerben: "Man bekommt Impulse, einen Arschtritt und ein Netzwerk, das goldwert ist", sagt Bürkle. Außerdem würde man dadurch vom Bundesministerium für Wirtschaft ausgezeichnet: "Wie oft wir das schon gesagt haben", sagen beide lachend.

Kultur- und Kreativpiloten: Die Bewerbungsphase läuft noch bis zum 30. Juni. Mehr Infos gibt es hier.