Immer mehr Menschen suchen den illegalen Weg nach Europa, doch Brüssel reagiert auf diese Entwicklung eher ratlos. Aus den deutschen Bundesländern werden mehr Härte und schnellere Abschiebungen gefordert.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die Entwicklung ist alarmierend. Die Zahl der Bootsflüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien kommen, ist rasant gestiegen. In den ersten drei Monaten des Jahres sind laut dem italienischen Innenministerium mehr als viermal so viele Migranten über die lebensgefährliche Route gekommen wie im Vorjahreszeitraum. Bis Montag registrierte das Ministerium 26 927 Erwachsene und Kinder; im ersten Quartal 2022 waren es nur 6543 und im ersten Quartal 2021 lediglich 6334.

 

Chaotische Migrationspolitik der EU

Die Europäische Union steht dieser Entwicklung reichlich ratlos gegenüber. Trotz der seit Jahren anhaltenden Fluchtbewegungen gleicht die Migrationspolitik der Europäischen Union einer chaotischen Baustelle. Immer wieder nehmen die Staaten Anläufe, um das sich ständig verändernde Problem in den Griff zu bekommen, Reformen werden erarbeitet, neue Pläne auf den Tisch gelegt, doch am Ende macht im Grunde jedes EU-Mitgliedsland, was es will. Das hat auch damit zu tun, dass das Thema Migration von einigen Regierungen – etwa in Ungarn und Italien – missbraucht wird, um innenpolitische Ziele zu erreichen.

Europa sucht nach einer gemeinsamen Linie

Nun soll bis zu den Europawahlen 2024 endlich eine gemeinsame Linie gefunden werden. Deshalb verhandeln die EU-Staaten und das Europaparlament derzeit über eine umfassende Reform der Asyl- und Migrationspolitik. Bei ihrem Zeitplan sind die Verantwortlichen in Brüssel getrieben von der Befürchtung, dass Parteien im extremen rechten Spektrum erfolgreich versuchen könnten, mit Hass und Hetze gegen Migranten Wählerstimmen zu gewinnen.

Am Dienstag nahm das Europaparlament in Brüssel einen weiteren Anlauf und stimmte über einen neuen Pakt für Migration und Asyl ab. Dabei ging es etwa um aktualisierte Regeln für Asylverfahren und die Kontrolle an den Grenzen. Beschlossen wurde ein neues Screening-Verfahren, mit dem flächendeckend alle irregulär eingereisten Menschen registriert werden und eine Sicherheitsprüfung durchlaufen. SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel erklärte dazu: „So stellen wir in der EU sicher, dass wir stets wissen, wer einreist und schaffen eine bessere Grundlage für die danach folgenden Verfahren.“ Lauter Protest kommt von Cornelia Ernst, migrationspolitische Sprecherin von „Die Linke“ im Europaparlament. „Es wird eine neue Ära in Europa eingeleitet, die mit dem Recht auf Asyl nicht mehr viel zu tun hat. Die EU rückt Stück für Stück immer weiter vom Recht auf Asyl ab“, kritisierte sie am Dienstag.

Länder fordern härtere Gangart von der EU

Während Parlament und Kommission nach Wegen aus der Krise suchen, werden in Brüssel immer wieder Vertreter der deutschen Bundesländer vorstellig, die die Lage aus ihrer Sicht schildern – und die meisten von ihnen fordern mehr Härte im Umgang mit Migranten. So erklärte der Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek aus Baden-Württemberg bei einer Veranstaltung in Brüssel, dass die Europäische Union etwa in der Visa-Politik mehr Druck auf Staaten ausüben müsse, die in Migrationsfragen unkooperativ sind.

Auch Marion Gentges, Justizministerin in Stuttgart, erklärte, dass viele Bundesländer an ihre Belastungsgrenzen gelangt seien. Sie plädierte bei einem Besuch in Brüssel etwa für eine „faire Lastenverteilung der Asylsuchenden“. Und auch die CDU-Politikerin plädierte dafür, nicht nur die Außengrenzen besser zu bewachen, sondern auch Straftäter konsequenter in ihre Heimat abzuschieben.