Flüchtiger Separatist Puigdemont Er ist dann mal wieder weg
Nach sieben Jahren Exil taucht Carles Puigdemont an diesem Donnerstag in Spanien auf – und entgeht mysteriöserweise seiner Festnahme.
Nach sieben Jahren Exil taucht Carles Puigdemont an diesem Donnerstag in Spanien auf – und entgeht mysteriöserweise seiner Festnahme.
Carles Puigdemont kam, sprach und verschwand. Sein Auf- und Abtritt am Donnerstagmorgen in Barcelona wird eine dieser Anekdoten sein, die Geschichtsbücher gelegentlich zur unterhaltsamen Lektüre machen. Fast sieben Jahre lang hatte der frühere Regionalpräsident keinen spanischen Boden mehr betreten. Nun war der Moment gekommen, sich zu ergeben. Das dachten die meisten.
Aber so leicht wollte es Puigdemont der katalanischen Polizei und der spanischen Justiz nicht machen. Nach ein paar Sätzen zu seinen Anhängern „verschwand er in der Menge“, so beschrieben es die anwesenden Reporter. Ein Rätsel. Puigdemont war von Brüssel nach Barcelona gekommen, um Salvador Illa in den Schatten zu stellen. Illa, der frühere spanische Gesundheitsminister, der sein Land recht und schlecht durch die dramatischen Coronajahre gebracht hatte, wurde dennoch wenig später am Donnerstagabend zum katalanischen Ministerpräsidenten gewählt. Für den 58-Jährigen stimmten 68 Abgeordnete, darunter auch 20 Mitglieder der linken, gemäßigt separatistischen Partei ERC, sowie sechs der linksökologischen Gruppe Comuns. 66 Abgeordnete stimmten mit Nein, teilte Parlamentspräsident Josep Rull mit. Spanische Medien werteten die Wahl Illas als Neuanfang für die Region, die seit mehr als zehn Jahren vom Streit über Forderungen nach Unabhängigkeit erschüttert wird.
Dass nach 18 Jahren zum ersten Mal wieder ein Politiker in Barcelona regieren könnte, der sich nicht zum katalanischen Nationalismus bekennt, ging Puigdemont im Vorfeld gewaltig gegen den Strich. Und außerdem, sagen manche, hat er Heimweh. Also fuhr er, unbehelligt von Geheimdiensten oder der Polizei, nach Barcelona, um dort am Donnerstag um 9 Uhr eine kurze Rede zu halten. Nicht weit vom Regionalparlament hatten ihm Anhänger eine Tribüne aufgebaut, von der aus sagte er: „Ich bin heute hierher gekommen, um sie“ – gemeint waren wohl seine Gegner – „daran zu erinnern, dass wir noch hier sind, weil wir kein Recht haben aufzugeben.“ 3500 Leute hörten zu, was ziemlich wenige sind, wenn man die jährlichen Unabhängigkeitsdemos mit mehr als 100 000 Leuten zum Maßstab nimmt. Puigdemont ist kein Volkstribun mehr. Aber er beherrscht immer noch die Kunst, von sich reden zu machen.
Dass die katalanische Polizei nicht in der Lage war, den mit Haftbefehl Gesuchten während seines öffentlichen Auftritts festzunehmen, spricht nicht für die katalanische Polizei. Statt im rechten Moment ihre Arbeit zu tun, machte sie den Katalanen nachher das Leben mit Straßenkontrollen schwer. Bis zum Abend blieb Carles Puigdemont verschwunden. Dass die Nachricht vom gewählten Salvador Illa fast unterging, war Puigdemont gelungen. Mehr nicht.
Im vergangenen Herbst hatte sich Puigdemont darauf eingelassen, mit Abgesandten der spanischen Sánchez-Regierung in Brüssel über ein Amnestiegesetz zu verhandeln, das an erster Stelle ihm selbst zugute kommen sollte. Das Gesetz ging dann auch durchs spanische Parlament, überzeugte aber viele Juristen nicht. Die Debatte darüber, ob ein demokratischer Rechtsstaat die Herausforderung dieses Rechtsstaates straffrei stellen sollte, ist noch nicht verstummt.
Das könnte Puigdemont egal sein, aber ein konkreter Einwand gegen die Amnestie macht ihm zu schaffen: Spaniens Oberster Gerichtshof findet, dass die Veruntreuung öffentlicher Gelder – eine der Puigdemont vorgeworfenen Straftaten – unter keinen Umständen amnestiert werden dürfe. Daher gilt der Haftbefehl gegen ihn noch, zumindest in Spanien.
Am frühen Nachmittag nahm die katalanische Polizei übrigens den Besitzer eines Wagens fest, in dem sich Puigdemont aus dem Staub gemacht haben könnte – einen Polizistenkollegen.