Der Flüchtling Rafat Hakki liebt das Theaterspielen und betritt an diesem Freitag wieder die Bühne. Das Stück „Ankommen und dann?“ hat der 46-Jährige mit anderen Geflüchteten entwickelt. Das große Thema des Syrers ist seine berufliche Zukunft.

Ditzingen - Auf der Bühne Theater spielen: Diesen Wunsch erfüllt sich Rafat Hakki schon als Elfjähriger. Begeistert wirkt er am Schultheater mit. Seine Leidenschaft lebt der 46-Jährige nach wie vor, bloß die Motivation ist eine andere. Als Kind wollte er in Rollen schlüpfen, die im realen Leben unmöglich sind. „Ich konnte zum Beispiel ein König sein“, sagt Hakki und lacht, „auf der Bühne ist eben alles möglich.“ Heute will er sich und Gleichgesinnten eine Stimme verschaffen, auf seine Lage aufmerksam machen. Zumindest an diesem Freitag mit dem Stück „Ankommen und dann?“ Es ist ein interkulturelles Theaterprojekt des Stuttgarter Dialogtheaters, dem sich Rafat Hakki angeschlossen hat. Das Stück entwickelten Geflüchtete und schon länger in Stuttgart lebende Menschen. Rafat Hakki floh aus Syrien.

 

Vor drei Jahren änderte sich sein Leben völlig: Mit Freunden und ohne seine Frau, die zwei Töchter und zwei Söhne verließ Hakki die nordsyrische Stadt Rakka. Sie wurde vorigen Herbst nach drei Jahren von der Terrormiliz Islamischer Staat befreit. Sie liegt noch immer in Trümmern. „Ich wollte nur raus aus Syrien.“ Das Ziel sei Europa gewesen. Dass er in Deutschland landet, konkret in Bietigheim-Bissingen und acht Monate später in Ditzingen, soweit hatte Hakki nicht geplant. Dafür hat sich ein Bild in seinem Kopf eingebrannt: Die unglaublich vielen Menschen, die wie er 2015 geflüchtet sind. Von der Familie lebt noch der Bruder in Syrien.

„Die Geschichte war mit dem ersten Teil nicht zu Ende erzählt“

Seit seiner Ankunft in Ditzingen unterstützt der Arbeitskreis Asyl Rafat Hakki. Die Vorsitzende Ingrid Hermens holte das Theaterstück in die Kernstadt. Wobei „Ankommen und dann?“ eine Fortsetzung des Stücks „Flüchten und Ankommen“ ist, das Ende 2017 in Stuttgart und im Frühjahr in Ditzingen gezeigt wurde. In die Kernstadt kamen mehr als 100 Zuschauer. Gaben die Flüchtlinge im ersten Teil vor allem einen Rückblick auf ihre Flucht und die Gründe dafür, geht es nun um das neue Leben und die damit verbundenen Herausforderungen und Perspektiven, um Integration. „Die Geschichte war mit dem ersten Teil nicht zu Ende erzählt“, sagt Ingrid Hermens. Sie hatte die Premiere in Stuttgart gesehen und sei beeindruckt gewesen, zumal die Ehrenamtlichen zu jenem Zeitpunkt an ihre Grenzen gestoßen seien. „Gefangen im Alltag, in der Organisation und Bürokratie haben wir uns gefragt, ob unsere Arbeit überhaupt Sinn macht“, sagt Hermens. Nach dem „ermutigenden“ Stück habe sie die Frage mit Ja beantwortet.

Auch Rafat Hakki hat nach seiner Ankunft in Deutschland schnell festgestellt, „dass man hier immer warten muss“. Die Deutschkurse etwa beanspruchten viel Zeit, es seien einige Kurse nötig bis zum C-1-Zertifikat, das der 46-Jährige mittlerweile hat. Es bestätigt ihm ein weit fortgeschrittenes Sprachniveau und ermöglicht laut Hermens eine Berufsperspektive. Deutschkurse allein reichen Rafat Hakki aber nicht. Er sieht das Theaterspielen auch als „Chance, Deutsch zu lernen“. Auf der Straße komme er nur schwer mit den Menschen ins Gespräch. Gerade am Anfang habe er sich überwinden müssen, auf die Bühne zu gehen, sagt Rafat Hakki, der unter anderem einen Stammtisch für arabische Flüchtlinge gründete und als Übersetzer hilft – obwohl er die Texte schnell auswendig lerne. „Andere haben größere Probleme mit der Sprache. Die Sprache ist immer ein Problem.“ Außerdem seien im Theater wegen des Publikums bei Fehlern keine Wiederholungen möglich, wie das etwa bei Filmdrehs der Fall sei.

Der Studienabschluss wird noch nicht anerkannt

Während die einen mit der Sprache kämpfen und andere verzweifelt eine Wohnung suchen, beschäftigt Rafat Hakki die berufliche Zukunft besonders. Er lebt mit seiner Familie in einer städtischen Wohnung, doch als Apotheker arbeiten kann er nicht – er studierte Pharmazie. Bis er den Beruf wieder ausüben kann, vergeht noch einige Zeit. Sein Studienbuch muss erst übersetzt werden. Dann wird geprüft, ob seine Kenntnisse dem Standard hier entsprechen. Falls nein, muss er fachliche Prüfungen ablegen. Für Rafat Hakki ist das Warten zermürbend. Die Hoffnung gibt er aber nicht auf. Hier in Deutschland müsse man erfahrungsgemäß zwar immer warten – „doch Geduld zahlt sich aus“.

Termin Das Theaterstück „Ankommen und dann?“ wird an diesem Freitag, 19. Oktober, im evangelischen Gemeindehaus in Ditzingen, Münchinger Straße 2, aufgeführt. Beginn ist um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, der Arbeitskreis Asyl bittet um Anmeldung: info@ak-asyl-ditzingen.de. Die weiteren Termine: 20. Oktober, Volkshochschule Ostfildern, 19 Uhr. 18. November, Lindenmuseum Stuttgart, 15 Uhr. 1. Dezember, Mehrgenerationenhaus Stuttgart-Heslach, 19.30 Uhr.