Flüchtling aus Gambia in Backnang Privatleute wollen Arbeitsverhältnis sponsern

Ein gambischer Flüchtling darf ein Jobangebot einer Backnanger Firma nicht annehmen, weil er laut der Einschätzung einer Behörde zu wenig verdienen würde. Zwei Bürger würden finanziell einspringen. Doch auch sie dürfen nicht.
Backnang - Die Veröffentlichung über die bürokratischen Zwänge, die dem gambischen Flüchtling Mamour Touray verwehren, ein Jobangebot einer Backnanger Firma anzunehmen, hat eine beeindruckende Resonanz erfahren. Zwei Privatpersonen haben unabhängig voneinander angeboten, das Gehalt des 31-Jährigen aus eigener Tasche aufzustocken, wenn diesem das eine Arbeitserlaubnis ermöglichen würde.
Wie berichtet, war Touray, der seit fast zwei Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft in Backnang lebt und sich auf eigene Initiative um eine Arbeitsstelle bemüht hatte, im Frühjahr fündig geworden. Die örtliche Firma SMA Metalltechnik bot ihm einen zunächst auf ein Jahr befristeten Vertrag an, der ihm als ungelernter Hilfskraft für Schweiß- und Verpackungsarbeiten einen Stundenlohn von 8,90 Euro zugesichert hätte. Obwohl dies über dem allgemeinen gesetzlichen Mindesttarif von 8,50 Euro liegt, hat eine in derlei Genehmigungsfragen zuständige Abteilung der Bundesarbeitsagentur mit zentralem Sitz in Duisburg entschieden, dass es zu wenig ist. Weil laut eigener Einschätzung unter einem ortsüblichen Tarif, sei das Arbeitsverhältnis nicht statthaft, beschied die Behörde.
Leser wollen helfen
Nicht nur der Betroffene Mamour Touray kann das nicht verstehen. Auch Leser unserer Zeitung haben sich darüber entrüstet. Zwei sind sogar bereit, noch einen Schritt weiterzugehen.
„Beim Lesen Ihres Artikels über Herrn Touray klingen mir die Worte unserer Politiker zum neuen Integrationsgesetz in den Ohren: ,Fördern und Fordern’“, schreibt Thomas Selter aus Schorndorf. Der Darstellung zufolge hätten im Fall des gambischen Flüchtlings „Viele vieles richtig gemacht. Allen voran Herr Touray selbst, der durch eigene Bemühungen ein Jobangebot fand“. Aber auch die Firma SMA Metalltechnik habe sich lobenswert verhalten, indem sie dem Flüchtling einen Arbeitsplatz angeboten habe, der die Voraussetzungen des gesetzlichen Mindestlohns mehr als erfülle. Von Lohndumping könne da überhaupt nicht die Rede sein, urteilt Selter und fragt: „Soll das alles umsonst sein, nur weil das reiche Deutschland in Gestalt der Arbeitsagentur oder einer anderen staatlichen Stelle keine 1170 Euro erübrigen kann?“ Genau diese Summe, die er als Differenz zwischen dem angebotenen und dem geforderten Stundenlohn auf ein Jahr hochgerechnet hat, will Thomas Selter aus eigener Tasche stiften, wenn Mamour Touray dadurch eine Perspektive eröffnet würde. „Sobald ein behördlich genehmigter Arbeitsvertrag vorliegt, werde ich den von mir zugesagten Betrag überweisen“, versichert er – falls erforderlich, werde er der Firma auch vorab eine schriftliche Verpflichtungserklärung abgeben, auf die sich diese berufen könne.
Noch nicht ganz so konkret, aber ähnlich entschlossen hat sich Birgit Schmidt aus Aichwald geäußert. „Könnten Sie für mich rausfinden, ob Herr Touray arbeiten darf, wenn jemand die Differenzkosten übernimmt?“
Arbeitsagentur: Für uns zählt, was im Vertrag steht
Die Arbeitsagentur hätte laut einem Sprecher der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen nichts dagegen. Wie eine Firma das Gehalt ihrer Mitarbeiter finanziere, sei dieser überlassen. „Für uns zählen einzig die Konditionen, die in einem Arbeitsvertrag vereinbart werden.“ Sprich: wenn in Tourays Vertragsangebot die Zahl 8,90 auf 9,50 geändert würde, stünde seiner Beschäftigung nichts im Wege.
Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Die Firma will auf die Angebote der Privatleute nicht eingehen. Dafür hat sie durchaus nachvollziehbare Gründe, die sie – wiederum nicht nachvollziehbar – nicht in der Zeitung veröffentlicht wissen möchte. „Wir wollen in der Sache keinen offiziellen Kommentar abgeben“, sagt der kaufmännische Leiter auf Nachfrage.
Die Arbeitsagentur beruft sich auf gesetzliche Vorgaben – die man im Übrigen auch für sinnvoll halte. Der Behördensprecher: „Würden wir das nicht prüfen, bestünde die Gefahr, dass die Menschen in einer Notsituation ausgenutzt werden und für weniger Geld arbeiten als üblich.“ Mamour Touray darf es nun gar nicht.
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