Flüchtlinge haben es schwerer als andere Menschen, eine eigene Wohnung zu finden. Das zeigt das Beispiel von zwei jungen Männern, die das Korntal-Münchinger Unternehmen Kühner Wärmetauscher ausbildet.

Korntal-Münchingen - Ugaas Ziad, 18, und Michiele Yohannes, 21, eint mehr, als Flüchtlinge aus Ostafrika zu sein: Sie arbeiten mit einem Vorvertrag beim Korntal-Münchinger Unternehmen Kühner Wärmetauscher, das sie zu Behälter- und Apparatebauern ausbildet – und sie suchen eine eigene Wohnung. Bisher ohne Erfolg. Dabei schöpfen die jungen Männer alle Möglichkeiten aus: Internet, Aushänge, persönliche und berufliche Kontakte. Auch ihre Chefin setzt alle Hebel in Bewegung. „Ich frage überall herum, doch vergebens“, sagt die Geschäftsführerin Elisabeth Poša. Für wie viele Wohnungen sie sich bereits beworben haben? Ziad und Yohannes, die beide subsidiären Schutz haben, den sie zunächst regelmäßig verlängern müssen, zucken mit den Schultern. Sie haben den Überblick verloren, zumal viele Bewerbungen unbeantwortet bleiben.

 

In Korntal lebt der Somalier Ziad seit Januar 2016 mit drei weiteren Personen in einer Wohngemeinschaft. Ihm gefällt das zwölf Quadratmeter große Zimmer, doch „ich möchte mit meiner Verlobten zusammenziehen und mehr Privatsphäre“, sagt er. Yohannes’ Situation bereitet seinen Betreuern indes große Sorgen. Der 21-Jährige wohnt in Stuttgart-Heumaden mit 260 Flüchtlingen in einer Gemeinschaftsunterkunft. Sein Zimmer von rund 16 Quadratmetern teilt er sich mit zwei Flüchtlingen, eine Küche, zwei Waschräume und zwei Toiletten mit zwölf. Das Wohnen auf engstem Raum macht dem Eritreer zu schaffen. Obwohl er rechtzeitig ins Bett geht, schläft er zu wenig. „Die Nachbarn hören oft laute Musik“, erzählt Yohannes, auch das Lernen fällt ihm wegen des hohen Lärmpegels schwer. Jede Woche ist er zwei Tage in der Schule und drei bei Kühner. „Dann ist seine Nacht um 5 Uhr rum“, sagt Jörg Pfaff von der Arbeitsgemeinschaft für die eine Welt (AGDW), die unter anderem die Unterkunft in Heumaden betreut.

Am ehesten helfen private Kontakte

Es gibt viele Gründe, warum Flüchtlinge keine Wohnung finden. Der Wohnraum im Kreis Ludwigsburg und in Stuttgart ist knapp, die Konkurrenz riesig. Korntal-Münchingen spricht von jährlich drei bis vier Wohnungen, die von Flüchtlingen bezogen werden, Ditzingen registriert im Schnitt alle zwei Monate eine Einzelperson oder Familie, die privat unterkommt, Hemmingen „deutlich weniger als einen Flüchtling pro Monat“. Gerlingen hat in den vergangenen zwei Jahren 40 Flüchtlinge privat untergebracht. „Es funktioniert nur über private Kontakte“, ist der zuständige Amtsleiter Stefan Fritzsche überzeugt.

Dank der großen Nachfrage könnten sich die Vermieter ihre Mieter aussuchen, meint die Kühner-Chefin Poša, was es Flüchtlingen besonders schwer mache. Jörg Pfaff, der Yohannes unterstützt, sowie Thomas Vetter von der Jugendhilfe Korntal, der Ziad hilft, berichten von skeptischen und unwissenden Vermietern. „Sie haben Vorbehalte beim Bleiberecht. Sie wollen langfristig vermieten“, sagt Vetter. Andere wehrten ab, wenn sie hörten, dass das Jobcenter oder Sozialamt die Miete bezahlt, solange der Flüchtling sie nicht selbst stemmen kann. Zugleich schreckten bürokratische Hürden viele Vermieter ab. „Einen Flüchtling als Mieter zu nehmen, zieht viele Amtsgänge nach sich“, sagt Pfaff.

Diskriminierung durch die Vermieter

So kann Yohannes wegen seiner Wohnsitzauflage nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde aus Stuttgart wegziehen. Dazu muss er einen Antrag stellen. „Bis man die nötigen Stempel hat, können Monate vergehen“, sagt Pfaff. Vermieter so lange bei der Stange zu halten, sei schwer. Voriges Jahr seien höchstens 20 Flüchtlinge aus der Heumadener Unterkunft in privaten Wohnraum gezogen.

Eine Studie bestätigt die Erfahrungen. Das Berliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung hat erstmals systematisch am Beispiel von Berlin und Dresden die Hindernisse für Flüchtlinge bei der Wohnungssuche untersucht. Demnach sind neben generellem Wohnungsmangel und Bürokratie vor allem fehlende Informationen und Diskriminierung durch die Vermieter die Ursache.

Die Kühner-Chefin Poša fordert „mehr Aufklärung, damit die Hemmschwelle bei Vermietern sinkt“. Aus Pfaffs Sicht erleichterten weniger Bürokratie und mehr bezahlbarer Wohnraum die Suche: „Die Höhe der Kaltmiete, die das Jobcenter übernimmt, schränkt die Anzahl der Wohnungen erheblich ein.“ Ziad und Yohannes bleiben zuversichtlich. „Wir müssen eben Geduld haben“, sagt Ziad. Das Sprichwort „Abwarten und Tee trinken“ gehöre zu den ersten Sätzen, die er nach seiner Ankunft in Deutschland gelernt habe.

Flüchtlinge im Landkreis in Zahlen

Fehlbeleger Die vorläufige Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften (GU) des Landkreises endet nach Abschluss des Asylverfahrens oder spätestens nach 24 Monaten. Dann dürfen die Flüchtlinge privat wohnen. Finden sie nichts, kommen sie in die Anschlussunterbringung (AU) einer Kreiskommune. 2017 verteilte der Kreis Ludwigsburg 1941 Personen an die Kommunen, dieses Jahr sollen es 2100 sein. Im Strohgäu leben rund 700 Flüchtlinge in der AU. Um die Kommunen zu entlasten, sind aktuell 1087 Flüchtlinge – darunter 391 anerkannte und geduldete – in den GU des Kreises statt in der AU – und heißen „Fehlbeleger“. Im Vorjahr waren noch 956 „Fehlbeleger“ in den GU, darunter 729 anerkannte und geduldete Flüchtlinge.

Neues Projekt Das neue landesweite Programm „Raumteiler“ will Kommunen und Ehrenamtlichen dabei helfen, (ungenutzten) privaten Wohnraum Menschen in prekären Lebenssituationen – und damit auch Flüchtlingen – zu vermitteln. Im Kreis interessieren sich unter anderem Gerlingen, Korntal-Münchingen, Remseck und Kornwestheim dafür.