Die Welle der Hilfsbereitschaft ist groß. Tag für Tag bieten in Stuttgart Privatpersonen und Organisationen den Geflüchteten aus der Ukraine ihre Hilfe an. Dabei soll man besonnen bleiben, mahnt die Fachfrau Sabrine Gasmi-Thangaraja.

Bei der Stadt bieten Privatpersonen Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine an. Am Bahnsteig stehen Ehrenamtliche bereit mit Rat und Tat. Wir sprachen mit einer Fachfrau für Migration und Integration vom Caritasverband Stuttgart darüber, wie sich die Helfer selbst vor Überforderung schützen und wie man Enttäuschung bei den Geflüchteten verhindert.

 

Frau Gasmi-Thangaraja, was brauchen die Leute, die jetzt bei uns ankommen, zuerst?

Sie brauchen in erster Linie Informationen darüber, wo sie sich hinwenden können, wo sie eine Unterkunft und Versorgung bekommen können.

Ist es hilfreich, ein Schlafsofa oder ein Bett anzubieten?

Für ein bis zwei Nächte kann es in Ordnung sein. Beispielsweise für Menschen, die auf der Durchreise sind. Bei Geflüchteten, die über einen längeren Zeitraum bleiben, sollte man sich darüber bewusst sein, dass das beiden nicht behagen könnte. Man muss sich also schon gut überlegen, ob eine Schlafcouch in einem Wohnzimmer adäquat wäre.

Wie lange, schätzen Sie, sollte man den Geflüchteten ein Obdach sichern?

So lange, wie notwendig. Keiner kann im Moment abschätzen, wie lange der Krieg dauert. Wenn man eine Unterkunft anbietet, sollte man auch damit rechnen, dass es länger dauert. Vor allem bei Kindern ist es nicht unbedingt sinnvoll, wenn sie ständig den Wohnort wechseln müssen. Vor allem dann nicht, wenn sie in die Kita oder die Schule gehen.

Muss man sich auf weitere Kosten und anderen Aufwand einstellen?

Solange per Gesetz nicht geklärt ist, wer für die Leistungen aufkommt und welche Voraussetzungen gelten – hier ist vor allem die Krankenversicherung im Fokus –, können erhebliche finanzielle Verpflichtungen auf einen zukommen. Wenn die rechtlichen Voraussetzungen geklärt sind, sollte man sich darauf einstellen, dass man sich auch Zeit nehmen muss, damit man für die Menschen alle weiteren Alltagsfragen klären und sie beispielsweise auch bei Behördengängen unterstützen kann.

Was empfehlen Sie Helfern vorab?

Helfer sollten sich zuallererst gut informieren. Sollten für sich selbst entscheiden, was man bereit ist, an Einschränkungen oder Verpflichtungen zu übernehmen und offen und freundlich auf die Geflüchteten zugehen. Sie haben Schlimmes erlebt und benötigen Ruhe und Unaufgeregtheit.

Es soll Fälle von Missbrauch gegeben haben in Berlin. Wie werden Frauen davor geschützt?

Mir ist davon nichts bekannt, außer durch die Berichte aus den Medien. In solchen Krisenzeiten ist es immer wichtig, sensibel und aufmerksam zu sein und bei Verdachtsfällen auf jeden Fall Hilfe zu holen, falls einem etwas bekannt wird. Wer zum Beispiel am Bahnhof etwas Verdächtiges bemerkt, sollte sich einmischen und die Polizei holen.

Wie hilft Caritas konkret im Stuttgart?

Die Bahnhofsmission und weitere private Vereine sind am Hauptbahnhof tätig. Wir sind für die weitere Unterbringung, die über die Stadt organisiert wird, zuständig sowie für alle weiteren Erfordernisse wie Schule, Kindergarten und Sprachkurse.

Flüchtlingshilfe in Stuttgart

Zur Person
Sabrine Gasmi-Thangaraja ist Bereichsleiterin für Migration und Integration beim Caritasverband Stuttgart. Sie ist 1980 geboren und in Stuttgart aufgewachsen, ist Islamwissenschaftlerin und Soziologin und arbeitet seit 2014 für den Caritasverband.

Arbeitsbereich
Vor über 35 Jahren hat Stuttgart gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden die Flüchtlingshilfe aufgebaut. Die Fachberatungsstellen im Caritasverband für Stuttgart e.V. OMID- Frühe Hilfen für traumatisierte Geflüchtete, für Familienzusammenführung und das Jobcoaching ergänzen die Arbeit. Heute begleiten rund 40 Mitarbeitende der Caritas Stuttgart die geflüchteten Menschen in 21 Unterkünften.