Nach tagelangem Warten machen sich Flüchtlinge zu Fuß auf den Weg zur Grenze. Die Politik reagiert schnell: Ungarn bringt in der Nacht zum Samstag etwa 4000 Menschen mit Bussen nach Österreich, über München geht es in Aufnahmestellen in der ganzen Republik.

Budapest - Mit der Einreisegenehmigung für Tausende Flüchtlinge aus Ungarn hat Deutschland den Hilfesuchenden das Tor zum Westen geöffnet. Alle zuständigen Stellen von Bund und Ländern bemühten sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums um die humanitäre Verteilung von bis zu 7000 Flüchtlingen. Obwohl Berlin am Samstag von einer Ausnahme sprach, versuchten Hunderte in Budapest festsitzende Flüchtlinge, ebenfalls ihre Ausreise über Österreich zu erzwingen.

 

Die Migranten sollen laut Innenministerium noch am Wochenende mit Zügen und Bussen auf die Bundesländer verteilt werden. Ermöglicht hatte dies eine Vereinbarung zwischen Berlin, Wien und Budapest, die in Ungarn festsitzenden Menschen ausnahmsweise ohne bürokratische Hürden und Kontrollen einreisen zu lassen. Die Deutsche Bahn setzte hierfür Sonderzüge ein und stockte ihr Personal auf.

Erste Anlaufstelle München

Bei der Unterbringung und Integration dauerhaft in Deutschland bleibender Menschen müsse „jede Ebene - Länder, Kommunen und auch der Bund - ihren fairen Anteil tragen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Samstag (CDU) in ihrem Video-Podcast. Zur ersten Anlaufstelle wurde im Tagesverlauf München. Nach einem Sonderzug am Samstagmittag trafen dort im Stundentakt weitere Züge mit jeweils mehreren hundert Flüchtlingen vor allem aus Syrien ein.

Weitere 1300 Migranten wurden in Baden-Württemberg erwartet. Darüber hinaus rollten Züge vor allem nach Frankfurt am Main und ins thüringische Saalfeld. Von dort sollten die Menschen auf andere ostdeutsche Bundesländer verteilt werden. Der hierfür von den Behörden angewandte „Königsteiner Schlüssel“ basiert auf den Steuereinnahmen und Einwohnerzahlen der Länder.

Wieder sind Flüchtlinge nach Westen unterwegs

In Budapest und mehreren ungarischen Aufnahmelagern brachen derweil erneut mehrere hundert Flüchtlinge zu Fuß Richtung Österreich auf. Im Ostbahnhof der Hauptstadt strömten wieder mindestens 1000 neu angereiste Flüchtlinge zusammen. Vor dem Haupteingang des Gebäudes organisierten Syrer am Nachmittag einen Sitzstreik mit ungefähr 300 Menschen, um erneut Busse zur österreichischen Grenze einzufordern.

Beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg betonte der deutsche Ressortchef Frank-Walter Steinmeier allerdings: „Die Hilfe in der gestrigen Notlage war verbunden mit der dringenden Mahnung dafür, daraus gerade keine Praxis für die nächsten Tage zu machen.“

Steinmeier fordert Sondergipfel

Offen ist daher, wie Deutschland und die EU-Partner mit dem weiteren Flüchtlingszustrom grundsätzlich umgehen und diesen gerechter verteilen wollen. Eine Quote hierfür werde von einigen Ländern zwar weiter abgelehnt, sagte Steinmeier. Zugleich scheine es aber die Bereitschaft zu geben, „sich stärker (...) an einer europäischen Gesamtverantwortung zu beteiligen“.

Der SPD-Politiker forderte einen Flüchtlingsgipfel der EU-Staaten Anfang Oktober. Grundsätzlich müsse es aber dabei bleiben, dass derjenige Mitgliedstaat für ein Asylverfahren verantwortlich ist, in dem ein Asylbewerber erstmals europäischen Boden betritt.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban will in der kommenden Woche mit dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann zusammenkommen, um über die Flüchtlinsgkrise zu beraten. „Es gibt eine offensichtliche Meinungsverschiedenheit zwischen uns“, sagte Orban am Samstag laut der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI.

Einsatz gegen Schleuser soll ausgeweitet werden

Voraussichtlich Anfang Oktober soll der EU-Militäreinsatz gegen kriminelle Schleuser im Mittelmeer ausgeweitet werden, sodass deren Schiffe außerhalb libyscher Küstengewässer notfalls mit Waffengewalt gestoppt und zerstört werden dürfen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht dafür ausreichend Rückendeckung der Mitgliedstaaten.

Aus Kreisen der Bundesregierung hieß es, der Bundestag könne bereits Anfang Oktober über ein Mandat abstimmen. Dieses gilt als notwendig, weil beteiligte deutsche Soldaten im Notfall von der Waffe Gebrauch machen würden. Derzeit ist die Militäroperation auf das Sammeln von Informationen und die Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge begrenzt.