Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) feiert die Räumung des Oranienplatzes als Erfolg – fürs Erste. Denn die Opposition warnt davor, dass die Flüchtlinge die Proteste fortsetzen könnten.

Berlin - Als Klaus Wowereit am Donnerstagvormittag im Berliner Landesparlament ans Rednerpult trat, tat er das, um einen Erfolg zu feiern. Er hat Grund dazu – denn in diesen Tagen ist der Regierende Bürgermeister fürs Erste ein Problem losgeworden, über das die Republik den Kopf geschüttelt hat und das seinen Senat hätte gefährden können. Am Dienstag wurde das Flüchtlingscamp am Kreuzberger Oranienplatz geräumt – nach eineinhalb Jahren und monatelangen Verhandlungen verließen etwa 100 Asylsuchende vor allem aus Afrika freiwillig die verslumten Hütten und Zelte in der Stadt.

 

Im Gegenzug dafür wurden ihnen eine Bleibe, Deutschkurse und eine Prüfung jedes Einzelfalls versprochen – eigentlich Selbstverständlichkeiten. Es blieb friedlich für Berliner Verhältnisse, auch bei den anschließenden Demonstrationen. Vor acht Wochen hatte daran noch keiner geglaubt. Jetzt ist der Streitpunkt beseitigt, und das alles zwei Wochen vor den dräuenden Krawallen am 1. Mai. Der Konflikt um den Oranienplatz war zeitweise zu einer ernsten Belastungsprobe für die Koalition geworden – vor allem, nachdem der Innensenator Frank Henkel (CDU) mit Räumung gedroht hatte und von Wowereit öffentlich zurückgepfiffen worden war.

Wowereit kritisierte die Unterstützer aus der linken Szene

Wowereit ist ein Profi, wenn es darum geht, Probleme von sich fernzuhalten, und genauso professionell heftet er sich anschließend deren Lösung ans Revers. Auch wenn er einen Fehler durchaus einräumte: „Ich sage ganz offen: dass diese Lage so lange bestand und man den Eindruck haben musste, dass Behörden einfach wegsehen, war kein Ruhmesblatt.“ Wowereit kritisierte heftig die Unterstützer aus der linken Szene: „Wer Illusionen nährt, missbraucht das Vertrauen der Flüchtlinge.“ Sonst aber gab es am Donnerstag nur Dank und eitel Freude – vor allem an seine Verhandlungsführerin, Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), und sogar an die geschmähte grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann. Der Koalitionspartner wurde mit keinem Wort erwähnt. Das besorgte die CDU dann selbst – Fraktionschef Florian Graf zeigte sich in einer Law-and-Order-Rede erleichtert über den Abzug, der nur möglich geworden sei, weil der Innensenator Druck produziert habe. „Das wurde auch Zeit.“ Einig ist sich die Koalition in einem Punkt: Flüchtlingscamps auf öffentlichen Plätzen will sie nicht mehr dulden.

Wenn das mal klappt. Noch immer sitzen direkt in der Nachbarschaft des Platzes 200 Flüchtlinge in einer leer stehenden und besetzten Schule unter unwürdigen Bedingungen. Und am Donnerstagmorgen trat am Oranienplatz eine kleine Gruppe von Flüchtlingen in einen Hungerstreik. In der Nacht zu Mittwoch waren Scheiben zu Bruch gegangen.

Die Piraten glauben: „Der Protest wird neue Formen finden.“

Die Opposition jedenfalls schäumte angesichts der Zufriedenheit Wowereits. „Noch etwas verlogener als sonst“, nannte der Linke-Fraktionschef Udo Wolf die Haltung der Regierung. „Alles, was die Flüchtlinge bekommen, ist eine Unterkunft und eine Duldung, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist. Das ist das Mindeste, aber keine Lösung ihrer Probleme“, sagte Wolf.

Und deshalb könnten, wie der Piraten-Abgeordnete Oliver Höfinghoff prophezeite, die Proteste der Flüchtlinge durchaus fortgesetzt werden. „Glauben Sie, dass die Menschen einfach wieder in die Lager zurückgehen?“, fragte er. „Der Protest wird weitergehen, er wird neue Formen finden.“