Die Kritik an Abschiebungen nach Afghanistan ist groß. Baden-Württemberg will sich dennoch daran beteiligen. Doch in zwei Fällen schieben Gerichte der Abschiebung einen Riegel vor.

München/Stuttgart - Aus Baden-Württemberg sind vier abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben worden. Diese Zahl nannte das Innenministerium in Stuttgart, nachdem ein Flugzeug am Mittwochabend von München aus nach Kabul gestartet war. Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums waren insgesamt 18 Migranten an Bord.

 

In zwei Fällen haben Gerichte die Abschiebungen aus Baden-Württemberg zunächst gestoppt. Der Verwaltungsgerichtshof setzte die Abschiebung eines türkisch-afghanischen Mannes aus, der zwei minderjährige Kinder hat. Zudem darf nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zunächst auch ein Afghane, der eine depressive Störung haben soll, nicht zwangsweise in seine Heimat zurückgebracht werden.

Bund entscheidet, ob in ein Land abgeschoben wird

Der Flüchtlingsrat, die Linke und die Grüne Jugend hatten die Landesregierung aufgefordert, sich nicht an der Abschiebung zu beteiligen, da die Sicherheitslage in Afghanistan schlecht sei. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) machte aber deutlich, dass eine Aussetzung der Abschiebungen für Grün-Schwarz kein Thema ist. Ob in ein Land abgeschoben werde, entscheide der Bund, sagte er. Andere Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein, lehnen aber eine Beteiligung an der Abschiebung in das Land am Hindukusch ab.

Bei den beiden strittigen Abschiebefällen handelt es sich zum einen um einen Mann, der nach Angaben des Flüchtlingsrates schon im Dezember abgeschoben werden sollte. Nach der Ankunft in Kabul sei er mit psychischen Problemen zusammengebrochen und deshalb von den afghanischen Behörden sofort wieder zurück nach Deutschland geschickt worden, sagte der Leiter der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrates, Seán McGinley. Der Mann habe sich am Mittwoch schon auf dem Weg nach München befunden. Nach dem Beschluss des höchsten Gerichts wird die Abschiebung für sechs Monate ausgesetzt (Az.: 2 BvR 392/17).

Im Fall des türkisch-afghanischen Mannes entschied kurzfristig der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, dass der Antragsteller in Deutschland zunächst zu dulden sei. Die Richter bezogen sich auf das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie (Beschluss vom 22. Februar, Az.: 11 S 468/17). Bei einer Abschiebung nach Afghanistan wäre sorgfältig zu prüfen gewesen, welche Folgen die Abschiebung für die Familie hat. Das sei offensichtlich nicht erfolgt.

Demonstrationen gegen Abschiebungen

Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen im Stuttgarter Landtag, Uli Sckerl, hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) aufgefordert, sich bei den Rückführungen auf Straftäter und Gefährder zu konzentrieren. Bislang wurden in zwei Abschiebungen im Dezember und Januar acht abgelehnte Asylbewerber aus Baden-Württemberg nach Afghanistan zurückgebracht. Die Grünen stehen bei dem Thema unter dem Druck ihrer Mitglieder, von denen sich viele in der Flüchtlingshilfe engagieren.

In mehreren Städten im Südwesten demonstrierten am Mittwochabend Bürger gegen die Abschiebungen nach Afghanistan - unter anderem in Mannheim, wo laut Polizei 50 bis 60 Menschen auf die Straße gingen. In Stuttgart demonstrierten nach Angaben der Polizei rund 450 Menschen.