Noch sind es nur einzelne Unternehmen, die Flüchtlingen eine Ausbildung ermöglichen. Doch die Firmen wollen mehr Plätze anbieten. Mit Praktika, Einstiegsqualifizierungen oder einem Förderjahr sollen die Bewerber auf die Lehre vorbereitet werden.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Tedros Gebru kann nicht aufhören zu strahlen. Er darf sich seit dem 1. September offiziell Azubi nennen. Davor wurde er rund acht Jahre lang stets als Flüchtling oder Asylbewerber bezeichnet. Der 24-jährige gebürtige Eritreer wird seit gut zwei Monaten als Maschinen- und Anlagenführer bei der Firma Lapp Kabel in Stuttgart-Vaihingen ausgebildet. Doch sein Weg dorthin war nicht einfach.

 

Mit 16 Jahren, im Juni 2007, verließ Gebru seine Heimat Asmara in Eritrea. Zunächst ging es in den Sudan und von dort weiter nach Libyen. Als im November 2008 der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi gestürzt wurde, schloss er sich einem völlig überladenen Schlepperboot an, das die Flüchtlinge über das Mittelmeer bringen sollte. Eine Fahrt, an die er sich nur ungern erinnert: „Die Überfahrt hätte zwei Tage dauern sollen, aber der Antrieb fiel aus und der Kapitän hatte kein Satellitentelefon“, berichtet er. Sieben Tage lang trieb das Boot auf dem Mittelmeer, Essen und Trinken waren nach kurzer Zeit aufgebraucht. Nach und nach hätten immer mehr der rund 360 Flüchtenden in ihrer Verzweiflung begonnen, Salzwasser aus dem Mittelmeer zu trinken. „Ich habe viele Leute sterben sehen“, sagt Tedros Gebru.

Acht Monate lang saß Gebru im Gefängnis

Er überlebte. Doch zurück in Libyen wurde die Lage nicht besser: Er wurde festgenommen. Acht Monate lang saß er mit anderen Überlebenden im Gefängnis, bis das Flüchtlingswerk UNHCR die Freilassung bewirken konnte. Vier Jahre nach der Flucht aus seiner Heimat bekam Gebru schließlich die Chance, als anerkannter Flüchtling nach Deutschland zu gehen. Am 29. November 2011 landete er in Stuttgart und wurde in eine Flüchtlingsunterkunft in Böblingen gebracht.

Er besuchte einen Sprachkurs und holte den Hauptschulabschluss nach. Danach nahm er an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme der Deutschen Angestellten-Akademie teil. Dort erhielten die Teilnehmer mehrere Betriebsführungen, darunter auch bei Lapp Kabel. Der Ausbildungsleiter der Produktionswerke Thilo Lindner erinnert sich: „Während des Rundgangs kam sein Lehrer auf mich zu und erzählte mir von Tedros.“ Er habe bereits in seiner Heimat Elektriker gelernt, spräche gut Deutsch und könne sofort als Azubi einsteigen. Lindner entschied sich, ihm ein achtmonatiges Praktikum zur IHK-Einstiegsqualifizierung (EQ) Maschinen- und Anlagenführer zu ermöglichen, dabei konnte er auch bereits in die Berufsschule schnuppern. „Schon drei Monate vor dem Ablauf des Praktikums boten wir ihm eine Ausbildung an.“

Trumpf hat bereits vier Flüchtlinge eingestellt

Wenn Tedros Gebru von anderen Asylbewerbern gefragt wird, was das Wichtigste sei, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen, ist seine Antwort klar: „Der Sprachkurs. Ohne die Sprache funktioniert gar nichts.“ Und man solle lieber Abschlüsse nachholen, anstatt für Zeitarbeitsfirmen zu arbeiten. „Die Kandidaten müssen zumindest einen Deutschkurs, einen Hauptschulabschluss und eine Einstiegsqualifizierung vorweisen können“, ergänzt Lindner. „Sonst stoßen Ausbilder an ihre Grenzen.“

Die Ditzinger Firma Trumpf bildet ebenfalls seit September einen anerkannten Flüchtling zum Maschinen- und Anlagenführer aus. „Wir haben einen ehemaligen Schüler aus dem Irak eingestellt, der eine lange Flucht hinter sich hat“, bestätigt eine Sprecherin. Insgesamt habe Trumpf bereits vier Flüchtlinge eingestellt.

40 Asylbewerber hospitieren von Montag an bei Daimler

Lappkabel und Trumpf gehören zu den wenigen Unternehmen, in denen Ausbildungsplätze mit Flüchtlingen besetzt werden – obwohl die baden-württembergische Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit für Ende August noch 18 340 unbesetzte Lehrstellen gezählt hat. Viele Firmen arbeiten noch an Ideen, wie sie Flüchtlinge eingliedern können.

Der Stuttgarter Autobauer Daimler etwa bietet von kommender Woche an ein 14-wöchiges Praktikum für 40 Asylbewerber im Werk in Untertürkheim an. „Dreieinhalb Stunden am Tag erhalten die Praktikanten Deutschunterricht, weitere dreieinhalb Stunden verbringen sie in der Industrieproduktion“, erläutert ein Daimler-Sprecher. Dabei finanziert die Bundesagentur für Arbeit die ersten sechs Wochen des Praktikums, die verbliebene Arbeitszeit vergütet Daimler nach dem Mindestlohngesetz. Überzeugende Praktikanten sollen anschließend in eine Ausbildung, an andere Unternehmen oder an Zeitarbeitsfirmen vermittelt werden.

Porsche will Flüchtlingen ein Förderjahr ermöglichen

Ein ähnliches Konzept plant der Autobauer Porsche. Bereits seit drei Jahren ermöglicht der Konzern jährlich elf jungen Menschen ein Förderjahr. Neun Monate lang erhalten Personen, die sonst geringe Chancen auf eine Ausbildung hätten, einen Einblick in verschiedene Berufe, besuchen die Berufsschule und werden sozialpädagogisch betreut. „Dieses Angebot wollen wir künftig zusätzlich 15 jungen Flüchtlingen machen“, sagt ein Sprecher von Porsche. Derzeit werde bei Porsche noch an den Details des Förderjahrs für Asylbewerber gefeilt, jedoch gehe man davon aus, dass Anfang 2016 die Ersten beginnen könnten.

Unterdessen läuft beim Technologiekonzern Siemens bereits seit Frühjahr ein Praktikantenprogramm für zehn Asylbewerber. Dieses Angebot soll auf weitere Standorte und bis zu 100 Plätze ausgeweitet werden. Bundesweit will Siemens zudem vier Förderklassen einrichten, in denen jeweils 16 Asylbewerber Sprachunterricht und berufsvorbereitendes Training erhalten. Auch die Telekom bietet auf ihrer Webseite bezahlte Praktika für Flüchtlinge an. Hier werden allerdings vor allem Akademiker gesucht.