Kaum ein Tag vergeht, an dem die Polizei im Land keine Asylsuchenden aufgreift: Immer mehr Menschen fliehen aus Krisenregionen und kommen auch nach Baden-Württemberg. Ministerpräsident Kretschmann möchte Vorurteile abbauen und mehr Geld organisieren.

Kaum ein Tag vergeht, an dem die Polizei im Land keine Asylsuchenden aufgreift: Immer mehr Menschen fliehen aus Krisenregionen und kommen auch nach Baden-Württemberg. Ministerpräsident Kretschmann möchte Vorurteile abbauen und mehr Geld organisieren.

 

Stuttgart/Weingarten - Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) will die Probleme bei der Aufnahme Zehntausender Asylbewerber mit Hilfe eines Flüchtlingsgipfels in den Griff bekommen. Noch im Herbst wolle das Land Spitzenvertreter von Kommunen, Kirchen und Hilfsorganisationen erstmals an einen Tisch holen, kündigte Kretschmann am Wochenende an.

Um die finanziellen Lasten der Stadt- und Landkreise lindern zu können, will er auch mehr Geld aus Berlin. Kretschmann widersprach Vorwürfen, die Grünen in den Ländern blockierten die geplante Asylrechtsreform der Bundesregierung. Man sei verhandlungsbereit, wolle aber vorher ein Kompromissangebot von Schwarz-Rot sehen, sagte der Ministerpräsident.

„Im Hinblick auf die weiter zunehmenden Konflikte und Kriege in der Welt, müssen wir in einem reichen Land, wie Deutschland es ist, unserer humanitären Verantwortung gerecht werden“, warb Kretschmann am Samstag bei einem Besuch im Kloster Weingarten (Kreis Ravensburg). Im ehemaligen Gästehaus des Klosters sind 39 Flüchtlinge aus Eritrea, Nigeria, Kamerun und Pakistan untergebracht.

Baden-Württemberg rechnet in diesem Jahr mit rund 23.000 neu ankommenden Asylsuchenden. 2013 waren es 13.853. Zum Vergleich: Seit 2007 steigen die Zugangszahlen, damals waren es 1595 Asylbewerber.

Grüne sind zu Asylrechtsreform bereit

Der Ministerpräsident beteuerte, die Grünen in den Ländern seien bereit zu Verhandlungen mit dem Bund über die Asylrechtsreform. „Die Unterbringung der Flüchtlinge kostet das Land und die Kommunen sehr viel Geld.“ Aber auch der Bund müsse die Kommunen ein Stück weit entlasten und dafür sorgen, dass Asylsuchende arbeiten und somit selbst zu ihrem Lebensunterhalt beitragen könnten.

Die Bundesregierung will Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsländer einstufen, um Asylbewerber von dort leichter zurückschicken zu können. Für die Reform ist aber die Zustimmung des Bundesrats nötig. Dort gibt es wegen der Bedenken aus Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung noch keine Mehrheit.

Kretschmann hielt Schwarz-Rot vor, seit dem ersten Treffen der Verhandlungsgruppen vor der Sommerpause nichts mehr getan zu haben. „Seitdem ist trotz unseres Drängens nichts passiert. Die Bundesregierung legt kein Angebot vor.“ Der Bundestag hat die Gesetzespläne bereits verabschiedet - im Bundesrat sollen sie am 19. September aufgerufen werden.

Strobl: "Asylbewerber bleiben auf der Strecke"

CDU-Landeschef Thomas Strobl hielt Kretschmann vor, in der Debatte bestimmten die Bundes-Grünen den Kurs. „Die Interessen der Kommunen hier im Land und die Interessen der Asylbewerber, die wirklich unsere Hilfe und unseren Schutz benötigen, bleiben dabei auf der Strecke. Das ist beschämend.“ Selbst der Koalitionspartner im Land nehme den Grünen nicht ab, dass sie keine Blockade betrieben. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hatte jüngst erklärt, die Grünen erwiesen den Asylbewerben einen „Bärendienst“ wenn sie sich weiter verweigerten.

Kretschmann erklärte, es gehe den Grünen um zwei Dinge: „Einerseits müssen die Kommunen entlastet werden, unter anderem dadurch, dass Asylbewerber in das normale Gesundheitsversorgungssystem integriert werden und der Bund die Kosten übernimmt.“ Zweitens müssten die Asylsuchenden arbeiten können.

Zwar sei die Bundesregierung bereit, die Frist bis zur Arbeitsaufnahme auf drei Monate zu verkürzen. Es bestehe aber nach wie vor die „Vorrangregelungen“, die die Grünen abschaffen wollen. Bislang müssen Arbeitsämter prüfen, ob für einen Job nicht ebenfalls ein deutscher Bewerber infrage kommt. Die Regelung habe sich noch nie als praktikabel erwiesen, sagte Kretschmann. „Fast 98 Prozent der Asylbewerber sind nicht erwerbstätig.“

Die Pauschale pro Flüchtling, die die Kommunen bekommen, beträgt im Moment 12.566 Euro und soll bis 2016 auf 13.972 Euro steigen. „Um sicherzustellen, dass die Kostenerstattung auskömmlich ist, läuft momentan eine Überprüfung der Pauschalen, die noch in diesem Jahr abgeschlossen werden soll. Wir wollen eine faire Kostenerstattung zwischen Land und Kreisen“, sagte Kretschmann.