Flüchtlinge in Baden-Württemberg In Landeserstaufnahmestellen soll Wlan bald kommen

Das Land will kostenloses Wlan in ihren Erstaufnahmestellen anbieten. In Stuttgart engagiert sich der Verein Freifunker dafür, dass Flüchtlinge ins Internet gehen können. In sechs Unterkünften ist das Wlan bisher eingerichtet worden.
Stuttgart - Schon als der junge Eritreer beschließt, aus seinem Heimatland zu fliehen, weiß er, dass er nicht viel mitnehmen kann: nur einen Koffer, darin Kleidung und die wichtigsten Dokumente. Sein wichtigstes Utensil aber wird während und nach der Flucht sein Smartphone sein. Es ist die einzige Möglichkeit, den Kontakt zu seiner Familie zu halten. Auf dem Telefon befindet sich eine besondere App, die eine verschlüsselte Kommunikation ermöglicht. Wie wichtig das ist, hat der Eritreer ehrenamtlichen Helfern in Stuttgart erzählt: Der Telefonanschluss seiner Familie werde überwacht und sobald die falschen Leute erfahren, wo er ist, werde es für ihn und seine Familie lebensgefährlich.
Die Geschichte des Eritreers ist kein Einzelfall. Für viele Flüchtlinge ist der Zugriff aufs Internet ein Grundbedürfnis. Doch ein Grundrecht auf Internet gibt es nicht. Dass aber Menschen, die nicht nur ihr Hab und Gut, sondern auch ihre Angehörigen hinter sich lassen, auf das Internet angewiesen sind, hat nun auch das Integrationsministerium von Baden-Württemberg eingesehen. Wie ein Sprecher bestätigt, wird das Land kostenloses Wlan in allen Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Lea) für Flüchtlinge bereitstellen. Ein entsprechender Kabinettsbeschluss wurde vor wenigen Wochen verabschiedet. Er soll jetzt nach und nach umgesetzt werden. Einen genauen Zeitplan gibt es nicht, da noch verwaltungstechnische und technische Fragen zu klären seien, so das Ministerium. Ein Punkt auf der Agenda dürfte die Störerhaftung sein (siehe Kasten). Das ist auch der ausschlaggebende Punkt, weshalb es in den städtischen Flüchtlingsheimen bisher kein Wlan gibt.
Kein Wlan in Notunterkünften
In den bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtungen (Bea) soll Wlan künftig angeboten werden. In den Notunterkünften, die nur für einige Tage eingerichtet werden, muss weiter auf das Internet verzichtet werden. Der Aufwand wäre für so eine kurze Zeit einfach zu groß, so ein Ministeriumssprecher. „Für die Flüchtlinge ist die Kommunikation enorm wichtig“, betont der Sprecher allerdings.
Vielleicht hat auch das große ehrenamtliche Engagement der Freifunker dazu beigetragen, dass das Ministerium auf die Problematik aufmerksam wurde und sich zum Handeln entschlossen hat. Mittlerweile engagieren sich die Freifunker bundesweit dafür, dass in Flüchtlingsunterkünften Wlan zur Verfügung steht. Gegründet hatte sich der Verein, der auch in Stuttgart aktiv ist, ursprünglich mit dem Ziel, ein Datennetz mit Wlan-Geräten aufzubauen, deren Nutzung frei ist von Registrierung und Erfassung von Informationen – in ganz Deutschland, nicht nur in Flüchtlingsunterkünften.
Christoph Altrock ist Vorstandsmitglied der Stuttgarter Freifunker und hat bislang in sechs Flüchtlingsunterkünften dazu beigetragen, den Zugang zu drahtlosem Internet zu ermöglichen. Gemeinsam mit anderen Freifunkern arbeitet er seit Jahresanfang daran. Bis das richtig funktioniert und umgesetzt werden kann, dauert es – was zumeist nicht an der Technik, sondern eher an der Bürokratie liegt, sagt Altrock: „Die Geräte einzubauen und das Internet einzurichten geht flux, der Papierkram im Vorfeld kann eine gefühlte Ewigkeit dauern.“
Freifunker und Freundeskreise sammeln Spenden
Darum kümmern sich zumeist die Freundeskreise, die sich in vielen Städten und Stadtteilen gegründet haben. Sie waren es auch, die auf die Freifunker zugekommen sind und gemeinsam nach Lösungen gesucht haben, den Menschen in den Unterkünften die Möglichkeit zur Kommunikation per Internet zu geben. Die Gelder, um einen Internetanschluss und die notwendigen Endgeräte finanzieren zu könne, sind Spenden. Mit rund 800 Euro für zwei Jahre muss gerechnet werden.
Christoph Altrock war überwältigt von dem Dank, der ihm und seinen Kollegen entgegen gebracht wurde, nachdem das Internet eingerichtet war. Es gab Tee, Kaffee und Essenseinladungen. „Sie wollten uns gar nicht gehen lassen“, sagt er. „Die Menschen waren dankbar und glücklich.“
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