Zwischenrufe aus dem Publikum, ein AfD-Gemeinderat, der beinahe des Saals verwiesen wird: Die Sitzung der Bezirksbeiräte zu den neuen Flüchtlingsunterkünften in Birkach verlief turbulent. Am Ende entschied sich das Gremium aber dafür, den Plänen der Stadt zuzustimmen.

Birkach - Die Sitzordnung bei der Bezirksbeiratssitzung sollte eigentlich die Rollenverteilung von Bürgern und Lokalpolitikern wiedergeben. Vorne sitzen die Bezirksbeiräte einander zugewandt im Hufeisen. Hinten sitzen die Bürger in Stuhlreihen wie die Zuschauer einer Talkshow. Die Bürger haben nur in den ersten fünf Minuten das Recht, ihre Anliegen vorzutragen, damit die Politik sie dann aufnehmen kann. Doch die sonst von den Bürgern meist ohne Widerspruch als Spielregel akzeptierte Zuschauerrolle stößt einigen bitter auf bei der Diskussion um neue Flüchtlingsunterkünfte in Birkach. An der Grüninger Straße sollen zwei Systembauten entstehen, die 156 Flüchtlingen Platz bieten. Außerdem hat die Stadt beschlossen, die Alfred-Wais-Halle als Notunterkunft für 80 Personen zu nutzten.

 

Zwischenrufe aus den Bürgerreihen

Während Vertreter der Stadt den Bezirksbeiräten Informationen über die Flüchtlingskrise und die aktuelle Lage in Stuttgart geben, wird die Sitzung immer wieder von Zwischenrufen aus den Bürgerreihen unterbrochen. Andere schalten sich munter in die Diskussion der Bezirksbeiräte ein und scheinen erstaunt, als die Bezirkschefin Andrea Lindel ihnen das Wort abschneidet. Die Bezirkschefin weist immer wieder darauf hin, dass nun die Bezirksbeiräte ihre Sitzung abhalten, und es deshalb ihnen allein zusteht, das Wort zu ergreifen.

Für Ärger sorgt auch der AfD-Gemeinderat Eberhard Brett. Er sitzt am Ausgang des Sitzungssaals und damit in einer günstigen Position um all denjenigen etwas in die Hand zu drücken, die oft sichtlich und hörbar verärgert den Saal verlassen. Andrea Lindel weist Brett deutlich daraufhin, dass er gegen die Ordnung bei Bezirksbeiratssitzungen verstößt. Bezirksbeiräte verschiedener Fraktionen fordern, den Gemeinderat des Saales zu verweisen.

AfD-Gemeinderat verteilt Visitenkarten

Eberhard Brett packt darauf die AfD-Papiere in einen Koffer und verlässt zunächst den Saal. Wenig später kehrt er zurück. Die Bezirksbeiräte beobachten erneut, wie Brett anderen etwas zusteckt. Dieses Mal sind es offenbar Visitenkarten.

Die Vertreter vom Amt für Liegenschaften und vom Sozialamt beanworten derweil Fragen, die entweder die Bezirksbeiräte oder Bürger in den ersten fünf Minuten gestellt haben. Diskutiert wird besonders über die Belegung der Alfred-Wais-Halle. Sie hatte beim TSV Birkach Protest ausgelöst, da er die Räume für sein Training und angebotene Kurse verliert. Der Ehrenvorsitzende des TSV, Rolf Lehmann, bringt erneut eine Nutzung der leer stehenden Pallotti-Kirche und Neuapostolischen Kirche als Flüchtlingsunterkünfte ins Gespräch. Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften verweist darauf, dass es Gespräche gegeben habe, wenn auch nicht konkret über diese beiden Objekte. „Die Kirchen haben uns bisher nur Waldheime angeboten“, sagt Axel Wolf. Er stellt klar, dass der Bau der Systembauten an der Grüninger Straße aus Sicht der Stadt kein Startschuss sei für eine Bebauung des Birkacher Felds. Diese Befürchtung wurde bereits im Vorfeld der Bezirksbeiratssitzung von Bürgern geäußert. Wolf betont nochmals, dass das Birkacher Feld planungsrechtlich Gemeinbedarfsfläche, nicht Wohnbedarfsfläche sei und niemand daran rütteln könne.

Ängste vor Bebauung des Birkacher Felds unbegründet

Der Standort der Systembauten nahe des Nikolaus-Cusanus-Hauses und der Birkacher Grundschule erzeugt aber auch aus einem anderen Grund Besorgnis bei einigen der anwesenden Bürger. Gleich die erste Wortmeldung in den ersten fünf Minuten der Sitzung drückt Sicherheitsbedenken aus. Ein Mann verweist auf den jüngsten Terroranschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara mit fast 100 Toten und will wissen, was getan werde, um die Birkacher Grundschüler vor mutmaßlichen Terroristen zu schützen. Diese könnten sich ja unter die Flüchtlinge gemischt haben, mutmaßt der Mann. Die Äußerung des Bürgers führt zu heftigem Widerspruch bei Bezirksbeiräten, aber zu keiner Reaktion seitens des Publikums.

Da er seinen Namen nicht angeben will, gehen die beiden Vertreter der Stadt auf seine Frage nicht ein. Olaf Daiß vom Polizeiposten Plieningen sagt im weiteren Verlauf der Sitzung, dass die Plieninger Unterkunft Im Wolfer keine sicherheitsrelevanten Probleme mit sich bringe. Vom Publikum erntet er für diese Aussage Spott.

Die Bezirksbeiräte stimmen am Ende der Sitzung schließlich den Plänen der Stadt für die Unterbringung von Flüchtlingen im Bezirk zu – unbeeindruckt von der gereizten Atmosphäre und mit einer Enthaltung.

Ein Kommentar zu dem Thema lesen Sie hier.