Fast zwei Jahre lang leitete Frank Maier die Landeserstaufnahmestelle Meßstetten. Er war Krisenmanager, Kofferträger und Koordinator einer Unterkunft mit bis zu 3600 Flüchtlingen. Im Interview spricht er darüber, was ihn bei seiner Arbeit besonders überrascht hat.

Meßstetten - Auf dem Gelände der ehemaligen Zollernalbkaserne bei Meßstetten ist im Herbst 2014 eine Landeserstaufnahmestelle (Lea) eingerichtet worden. Wo früher die Luftwaffe stationiert war, wurden Flüchtlinge aus acht Ländern einquartiert. Ob das gut gehen kann, fragten sich die Bürger von Meßstetten (Zollernalbkreis) und konnten es kaum fassen, als dreimal mehr Menschen als anfangs angekündigt in die umgebauten Kasernenblöcke einzogen. Der Lea-Leiter Frank Maier musste zwischen den Fronten vermitteln.

 
Herr Maier, erinnern Sie sich an Ihren ersten Tag in Meßstetten?
Es war eine immense Aufregung, weil alles so schnell gehen musste. Am 28. Oktober 2014 sind die ersten 33 Flüchtlinge von Karlsruhe nach Meßstetten gebracht worden. Es kamen Syrer, Iraker, Afghanen und Serben. Ich habe noch viele Gesichter vor Augen, Familien mit Kindern. Menschen, die so froh waren, dass sie die Enge der Unterkunft in Karlsruhe hinter sich gelassen hatten. Ich habe damals mitangepackt und die Koffer der Flüchtlinge in ihre Zimmer gebracht.
Die Angst der Bewohner im Ort war groß?
Es gab viele Bedenken. Anfangs aber war das Fremde für die Einheimischen nicht zu greifen. Wir starteten in den Winter hinein, überall lag Schnee, kaum einer ging raus. Die Ankunft der Flüchtlinge hatten nur wenige bemerkt. Erst mit dem Frühjahr kam das große Erwachen im Ort. Da liefen die Flüchtlinge auf festen Routen ins Zentrum. Plötzlich lag Müll in den Vorgärten, es kam nachts zu Ruhestörungen, der Lidl war überlaufen.
Wie haben Sie die Bürger beruhigt?
Wir haben zwei Streetworker eingestellt. Sie haben Sprechstunden abgehalten für die Menschen in Meßstetten. Und sie haben die Flüchtlinge regelrecht an der Hand genommen, ihnen die Gepflogenheiten in Deutschland erklärt: vom richtigen Verhalten im Supermarkt bis zur Müllvermeidung. Das kam extrem gut an im Ort.
Haben Sie am Merkel’schen Credo „Wir schaffen das“ gezweifelt?
Eigentlich nicht, aber es war wirklich chaotisch im Herbst darauf. Es fehlte an Platz, beheizbaren Gebäuden und Personal. Das war eine Massenabfertigung. Wo anfangs am Tag 30 Menschen gekommen waren, brachten die Busse bis zu 150 Flüchtlinge.
Sie waren nur noch Krisenmanager?
Genau so fühlte ich mich. Wir konnten uns nicht mehr richtig um die Leute kümmern, in Spitzenzeiten lebten 3600 Menschen in der Kaserne. Die schlimmste Woche war, als wir den Kindergarten schließen mussten, um Neuankömmlinge darin unterzubringen. Selbst der Vorraum der Kantine war belegt mit Betten. Nirgendwo gab es mehr Ruhe oder Rückzugsmöglichkeiten. Die Stimmung hatte sich aufgeheizt. Das war die Zeit, als ich dachte, ich kann abends nicht mehr die Einrichtung verlassen. Wenn ich nach Hause gegangen bin, hatte ich kein gutes Gefühl.
Es kam zu einer Massenschlägerei mit großem Polizeieinsatz. Worum ging es?
Die Flüchtlinge durften keine Lebensmittel aus dem Speisesaal mitnehmen. Eine Frau hatte drei Brötchen eingepackt. Der Sicherheitsdienst bat sie, die Brötchen im Saal zu lassen. Sie rief ihre Landsleute um Hilfe. Es versammelten sich 300 Personen, um den Sicherheitsmitarbeiter in die Mangel zu nehmen. Die Polizei verriegelte das ganze Gebäude. Das war ein riesiger Einsatz über drei Stunden hinweg mit Hubschrauber, Krankenwagen. Letztlich gab es Gott sei Dank nur ein paar Leichtverletzte.