Die Stadt plant ein zweites Asylheim im Stadtbezirk Plieningen. Bei der Sitzung der Bezirksbeiräte am vergangenen Montag waren etliche Anwohner anwesend, die an diesem Plan Kritik geübt haben.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Die Luft im Sitzungssaal war dick, und zwar in zweierlei Hinsicht. Gegen das Stickige half Lüften, was die Anwesenden auch regelmäßig taten. Gegen den Ärger in den Publikumsreihen hingegen half nichts. Als sich der Zuschauerraum nach dem kurz vor knapp eingeschobenen Tagesordnungspunkt Nummer vier leerte, nahmen die Gekommenen ihren Frust offensichtlich wieder mit. Am Montag haben die Bezirksbeiräte über das zweite in Plieningen geplante Asylheim gesprochen. Vorgesehen ist es auf einem Grundstück an der Scharnhauser Straße.

 

Es ging hopplahopp. Mancher Anwohner war augenscheinlich überfordert von der Geschwindigkeit, mit der die Stadt Stuttgart Anfang vergangener Woche weitere Standorte für Asylunterkünfte öffentlich präsentiert hatte. In zehn Stadtbezirken – wie Plieningen – sind die Grundstücke bereits bekannt, in Degerloch hingegen noch nicht.

Stadt kommt nicht hinterher

Warum es so rasant gehen musste, erklärten Dagmar Eckhardt und Axel Wolf bei der Sitzung in Plieningen. Eckhardt arbeitet beim Sozialamt, Wolf beim Liegenschaftsamt, und beide haben nicht erst seit gestern alle Hände voll zu tun, um die Flüchtlinge, die Stuttgart zugeteilt werden, irgendwo unterzubringen. „Wir kommen gar nicht mehr hinterher“, sagte Wolf.

Um den Lokalpolitikern und den Anwohnern zu erläutern, welchen Zwängen sie ausgesetzt sind, haben sie die üblichen Statistiken mitgebracht. Die Kurve der Menschen, die Zuflucht suchen, geht seit Monaten nach oben – ohne absehbares Ende. Derzeit kämen pro Monat rechnerisch 307 Menschen nach Stuttgart, im September 2014 seien noch halb so viele gewesen, sagte Eckhardt. Weshalb es mit den nun geplanten neuen Heimen auch längst nicht getan sei, die nächste Tranche sei bereits in der Vorbereitung. „Aber wir müssen eines nach dem anderen machen“, sagte sie.

Konsens in kritischer Haltung

Wenn auch nicht als Schaubild an die Wand projiziert, so kam am Montag doch deutlich zum Ausdruck, dass es eine weitere Kurve gibt. Die Kurve der Akzeptanz, die gefühlsmäßig eher absackt. Und für diejenigen, die künftig Tür an Tür mit den Flüchtlingen leben werden, gilt das anscheinend besonders. Entsprechend einseitig waren die Wortmeldungen aus der Zuhörerschaft. Eine Frau kritisierte zum Beispiel, dass sie dann direkt von ihrem Küchenfenster aus aufs neue Flüchtlingsheim schauen müsse, dass deshalb ein Sichtschutz her müsse. Eine andere sagte: „Das Elend der Flüchtlinge, das ich dann vor Augen habe, das muss ich ja auch verarbeiten.“ Wieder eine andere Frau wollte wissen, ob die Stadt zusichern könnte, dass das Asylheim nach spätestens fünf Jahren abgebaut würde.

Konsens herrschte also vor allem in der Kritik – und in der Forderung, dass die Anwohner in die Planungen einbezogen werden. So wollen sie verhindern, dass die zwei Systembauten mit 156 Plätzen nah an ihre Grundstücksgrenzen gebaut werden. Die Vertreter der Stadt sicherten zu, Wünsche möglichst zu berücksichtigen. So ist für den 14. Juli eine Info-Veranstaltung geplant. Zwei Tage später wird der Gemeinderat über die Standorte beschließen.

In Möhringen werden viel mehr Asylbewerber leben

Dass das Verständnis einiger Plieninger spürbar nachgelassen hat, hat den Äußerungen zufolge auch damit zu tun, dass sie sich ungerecht behandelt fühlen. Es gibt Leute, die schlicht nicht verstehen, warum der Stadtbezirk im Sommer 2014 ein Flüchtlingsheim beim Hallenbad bekommen hat und nun schon wieder an der Reihe ist. Wo es doch Bezirke gebe, die noch ganz außen vor seien. Wer schon solche Vergleiche anstellt, sollte wissen: Es gibt auch Stadtbezirke, in denen leben um einiges mehr Asylbewerber in Heimen als in Plieningen. Sind es in Plieningen von nächstem Frühjahr an mutmaßlich rund 300 Flüchtlinge, werden es in Möhringen zum Beispiel 500 sein.

Nach über einer Stunde dicker Luft haben die Bezirksbeiräte ihr Okay zu den Plänen gegeben. Dann endlich sind die Fenster zum Stoßlüften aufgerissen worden.