Viele anerkannte Flüchtlinge beziehen zunächst Hartz IV. Die Stadt Stuttgart hat eine Prognose gewagt und geht für 2016 von bis zu 8900 zusätzlichen Hilfeempfängern aus.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - In der ersten Lesung der laufenden Haushaltsdebatte geisterte eine unbekannte Größe herum, die bisher nicht beziffert wurde: die Ausgaben für Flüchtlinge im Bereich des Jobcenters. Eine Vorlage für den Wirtschaftsausschuss gibt nun Anhaltspunkte. Darin rechnet die Stadtverwaltung bis Ende nächsten Jahres mit bis zu 8900 anerkannten Asylbewerbern im Hartz-IV-System. Im Wirtschaftsplan des Jobcenters für 2016 sind dafür zusätzlich rund 5,5 Millionen Euro ausgewiesen, gedeckt durch eine „Sonderzuteilung des Bundes“. Die Stadt muss aber den Großteil der Unterkunftskosten tragen. Diese Ausgaben könnten sich ebenfalls auf einen erklecklichen Millionenbetrag belaufen.

 

Haushaltspläne enthalten stets viele Annahmen, auf deren Grundlage Etatposten errechnet werden. Für den kommenden Doppelhaushalt der Landeshauptstadt trifft dies, was die Ausgaben für Flüchtlinge angeht, besonders zu. Kürzlich lebten in Unterkünften der Stadt noch 5700 Asylbewerber, bis Ende des Jahres werden es voraussichtlich etwa 8000 sein. Doch wie viele kommen im neuen Jahr dazu? Bleiben die Zuweisungen so hoch wie in den vergangenen Monaten? Vor allem: wie viele der gestellten Asylanträge werden in kommenden Jahr positiv beschieden? Denn anerkannte Flüchtlinge ebenso wie Geduldete und sogenannte Kontingentflüchtlinge wandern in den Hartz-IV-Bezug.

Das Budgets des Jobcenters wurde deutlich erhöht

Gegenwärtig erhalten in Stuttgart rund 900 Flüchtlinge Unterstützung durch Hartz IV. Im Laufe des kommenden Jahres könnten daraus nach und nach rund 8900 werden. Dies ist jedenfalls die Prognose des Jobcenters. Nimmt man den Jahresschnitt von 3880 Flüchtlingen im Hartz-IV-Bezug, die auch Eingliederungsleistungen bekommen können, und misst diesen an der gegenwärtigen Zahl von durchschnittlich 31 900 Hilfeempfängern, entspräche dies einem Zuwachs von rund zwölf Prozent.

Der Bund hat für diese Entwicklung vorgesorgt und das Budget des Jobcenters im Vergleich zum Vorjahr um rund zwölf Prozent erhöht. So kann man dort im Jahresverlauf bis zu 66 zusätzliche Stellen etwa für Beratungskräfte besetzen. Rechnet man das Personal für Querschnittsaufgaben dazu, kommt man auf insgesamt etwa 75 neue Stellen. Bei derzeit rund 450 Vollzeitstellen ist dies eine Personalzunahme von 16 Prozent.

Die Kommune trägt die Kosten der Unterkunft

Um diese neue, durchaus anspruchsvolle Aufgabe bewältigen zu können, will das Jobcenter eine spezielle Fachstelle für Flüchtlinge einrichten, die auch räumlich vom jetzigen Standort getrennt ist. So muss man nicht nur anders als im sonstigen Regelbetrieb Sprachbarrieren überwinden, man wird es auch häufiger mit traumatisierten Menschen zu tun haben. Überdies sollen ehrenamtliche Flüchtlingshelfer künftig stärker in die Arbeit der Berater eingebunden werden.

Für die Stadt stellt sich die Frage, welche zusätzlichen Kosten auf sie in den laufenden beiden Haushaltsjahren zukommen. Denn die Kommunen sind für den größten Teil der Unterkunftskosten von Hartz-IV-Empfänger zuständig, die nur zu etwa einem Drittel vom Bund übernommen werden. Nach der Verwaltungsvorlage geht man beim Jobcenter davon aus, dass man bis Ende nächsten Jahres etwa 4000 zusätzliche Bedarfsgemeinschaften, sprich Haushalte, unterstützen muss. Das wären etwa 19 Prozent mehr als jene 21 600, die man bisher im Jahresschnitt verzeichnet hat.

Prognosen sind mit Vorsicht zu genießen

Ausgehend davon, dass die Zunahme im Jahresmittel etwa 1600 Bedarfsgemeinschaften betragen dürfte und die Stadt für jeden Haushalt pro Monat circa 425 Euro wird aufbringen müssen, kämen dadurch Aufwendungen von mehr als acht Millionen Euro im Jahr zusammen, eine Summe, die sich aber durch den erwartbaren Bundesanteil um vielleicht ein Drittel vermindern könnte. Auch in dieser Rechnung stecken aber verschiedene Unbekannte. So werden die meisten Flüchtlinge auch nach ihrer Anerkennung zwangsläufig noch in den Gemeinschaftsunterkünften bleiben. Und in der Kalkulation wurde ein weiterer monatlicher Zuzug von Flüchtlingen von etwa 560 unterstellt, deutlich weniger als in den vergangenen Monaten.