Stuttgart bekommt keine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge – nach langer Diskussion werden weder das Haus Martinus in der Olgastraße noch der Eiermann-Campus in Vaihingen dafür genutzt.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Trotz des großen Drucks, unter dem das Land steht, seine Kapazitäten für die Erstaufnahme von Flüchtlingen deutlich zu erweitern, wird es in der Landeshauptstadt einstweilen eine solche Einrichtung nicht geben. Nach einer erneuten Prüfung hat die Landesregierung endgültig Abschied davon genommen, Flüchtlinge auf dem früheren IBM-Gelände in Vaihingen unterzubringen. Und auch das Haus Martinus an der Olgastraße, das seit Kurzem als Notaufnahme dient, wird schon bald von der Stadt selbst als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden.

 

Nach den Gebäuden des sogenannten Eiermann-Campus in Vaihingen, die das Land bereits als untauglich für eine Flüchtlingsunterkunft beurteilt hatte, wurden noch das Außengelände und die Parkdecks genauer unter die Lupe genommen. Doch die Parkdecks als Standort für Containerunterkünfte zu nutzen sei „zu keinem vertretbaren Aufwand“ möglich, so Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (Grüne). Das Erdgeschoss hätte man zumauern müssen, das Zwischendeck sei nicht hoch genug und das Oberdeck statisch nur bedingt geeignet, fasste er die Prüfung knapp zusammen.

Umbau des Eiermann-Campus ist zu aufwendig

Ähnlich fällt die Entscheidung für die Außenflächen der ungenutzten Bürobauten aus. Diese seien als schiefe Ebene gestaltet, was vor dem Aufstellen von Containern oder Zelten „große bauliche Veränderungen“ nötig machen würden, sagte Murawski. Überdies hätte man das Areal aufwendig durch einen Zaun sichern müssen.

Auch von dem bisherigen Plan, das Haus Martinus an der Olgastraße längerfristig als Erstaufnahmestelle zu nutzen, ist das Land abgerückt. Seit Kurzem ist das ehemalige Altenheim an der Olgastraße eine Notunterkunft. Rund 300 Flüchtlinge, die vorher in Bayern waren, sind dort untergekommen. „Wir werden das Haus so bald wie möglich an die Stadt übergeben“, kündigte der Staatssekretär an. Murawski machte aber auch deutlich, dass das Land deshalb die Suche nach Erstaufnahmeplätzen in Stuttgart nicht aufgeben werde. „Wir suchen weiter nach einer vernünftigen, aber größeren Lösung“, sagte er.

Suche nach Unterkünften geht weiter

Wie das Land sucht auch die Stadt händeringend weitere Unterkünfte. So wird offenbar geprüft, ob im früheren Gebäude der EnBW an der Kriegsbergstraße Asylsuchende untergebracht werden könnten. Im Schnitt werden bis Ende des Jahres noch jeden Monat rund 590 Flüchtlinge hier ankommen – im September waren es 589 –, in den bisherigen Planungen rechnete man mit gut 300. Etwa 2000 Asylsuchende sind dieses Jahr in Stuttgart angekommen. Derzeit sind rund 4100 hier untergebracht. Bis Ende des Jahres werden es 6500 sein, etwa 1000 mehr als in der früheren Prognose.

Deshalb hätte die Stadt das Haus Martinus dem Land auch nur überlassen, wenn die dort untergebrachten Neuankömmlinge auf ihr Kontingent angerechnet werden. Andernfalls, betont Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU), hätte die Stadt ihrer Aufnahmeverpflichtung nicht nachkommen können. Nun sollen dort schon bald rund 270 Flüchtlinge, für welche die Stadt verantwortlich ist, unterkommen. Dies wird aber nur bis Mitte 2016 möglich sein, die Caritas will auf dem Gelände bauen. Bei der Stadt bestehe aber die Bereitschaft, über das Thema Erstaufnahme in Stuttgart zu reden, wenn es sich um ein geeignetes Objekt handle, machte Föll deutlich. Zu den Zwängen, unter denen die Stadt in der Sache steht, sagte der Finanzbürgermeister aber: „Bis jetzt kriegen wir das hin, auch wenn alle Beteiligten ein Stück weit am Anschlag sind.“