Das Land will das Bürgerhospital zur Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge machen. Die Stadt verweist darauf, dass sie das zu entscheiden habe – und Gemeinderäte bringen Argumente gegen den Standort vor.

Stuttgart - Die Bürgermeister Michael Föll (CDU) und Werner Wölfle (Grüne) haben am Mittwoch die Debatte über die Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen und den steigenden Personalbedarf im Verwaltungsausschuss genutzt, um das Land zu kritisieren. Auslöser war der StZ-Bericht über das Ansinnen des Landes, im städtischen Bürgerhospital eine Erstaufnahmestelle (LEA) für 650 Flüchtlinge einzurichten. Auf dem Gelände hat die Kommune bereits 220 vom Land zugewiesene Personen untergebracht, weitere 250 könnten ins denkmalgeschützte Hauptgebäude einziehen, bis weitere Unterkünfte gebaut sind.

 

Man brauche sicher nicht von Rudi Hoogvliet auf die kommunalen Pflichten bei der Flüchtlingsunterbringung hingewiesen werden, sagte Verwaltungsbürgermeister Wölfle in Anspielung auf Äußerungen des Regierungssprechers und erhielt im Gemeinderat dafür Zustimmung. SPD-Stadtrat Hans Pfeifer sagte, man benötige von Hoogvliet keine Nachhilfe in Sachen Flüchtlingsunterbringung.

Der Sprecher hatte erklärt, bei einem Bedarf von 5000 weiteren Erstaufnahmeplätzen werde „Stuttgart als größte Stadt des Landes sicher einen Beitrag leisten müssen“. Föll widersprach der Ansicht: Es gebe keine gesetzliche Verpflichtung für Kommunen, Erstaufnahmekapazitäten zu schaffen. Auch könne das Land nicht über das städtische Bürgerhospitalgelände verfügen. Man habe aber den Wunsch des Landes vernommen und prüfe ihn in den nächsten Wochen, um dann die Sachlage mit dem Gemeinderat zu erörtern.

Aufnahmstelle „zu nah an der City“

Am Rande der Sitzung wurden Vorbehalte gegen die Maßnahme geäußert. Die LEA befinde sich zu nah an der City, zudem drohe eine Zweiklassengesellschaft, da Asylbewerber in einer Landeseinrichtung lediglich Sachleistungen und ein Taschengeld von 143 Euro erhielten, die von der Stadt untergebrachten Flüchtlinge auf dem Gelände aber Geldleistungen (359 Euro für jeden Erwachsenen).

Außerdem sei dem Land nicht zu trauen: Der starke Andrang hat dafür gesorgt, dass in den bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen deutlich mehr Flüchtlinge leben als mit den Gemeinden vereinbart. Mitentscheidend sei, in welchem Umfang die Stadt beim Bau von Flüchtlingsunterkünften entlastet würde, wenn sie eine LEA im Bürgerhospital akzeptieren würde. Ein Sprecher des Integrationsministeriums sagte dazu, es gebe eine Erleichterung, sie falle wegen der Vielzahl der Einrichtungen aber geringer aus als bisher. Eine Entscheidung über die Quote sei in den nächsten Tagen zu erwarten.

Auf ein Signal von Finanzminister Nils Schmid (SPD) wartet derweil Bürgermeister Föll. Es geht um die Überlassung des ehemaligen Rothmannblocks an der Ecke Hegel-/Seidenstraße für den Bau kommunaler Flüchtlingsunterkünfte. Seit März spreche man darüber, da dürfe ja wohl Ende Juli ein Beschluss erwartet werden. Diese Fläche ist Bestandteil der im Gemeinderat verabschiedeten vierten Tranche von Flüchtlingsheimen mit 156 Plätzen.

Wir werden präsent sein, sagt die Polizei

Auch im Polizeipräsidium ist die LEA ein Thema. „Wenn es so kommt, müssen wir uns darauf einstellen. Wir sehen die Notwendigkeit polizeilicher Präsenz“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach. Bisher habe es in keiner Stuttgarter Unterkunft Probleme gegeben. Ein Vorteil des Bürgerhospitals sei die Nähe zum Revier Wolframstraße. An den bestehenden LEA-Standorten (Karlsruhe mit Mannheim und Meßstetten) wurden Polizeiwachen eingerichtet, erläutert Andreas Schanz, Sprecher des Innenministeriums. Das Grundkonzept sehe vor, diese mit zehn Stellen auszugestalten. Die Beamten stammten aus den örtlichen Polizeipräsidien. Sie würden unter anderem mit Beamten der Bereitschaftspolizei personell unterstützt.

In Stuttgart wird es am Jahresende einen Bedarf von 6000 Plätzen in Flüchtlingsunterkünften geben. 2015 wird die Verwaltung rund 3700 Erst- und Folgeanträge auf Asyl bearbeiten und diesen Menschen ein Dach über dem Kopf verschaffen müssen. Das ist mit dem vorhandenen Personal nicht zu stemmen. Weil Eile angesagt ist, werden nun 26 Stellen geschaffen – und zwar unbefristet, weil kein schnelles Ende absehbar sei, so Personalbürgermeister Wölfle. Dem hat der Ausschuss am Mittwoch zugestimmt. Der Aufwand von 618 000 Euro ist über den kürzlich verabschiedeten Nachtragshaushalt gedeckt.

Insgesamt ist die Flüchtlingsunterbringung ein erheblicher Kostenfaktor. Die Pauschalen des Landes seien nicht auskömmlich, da sie nur die Unterbringung bis zu 18 Monaten und die in Stuttgart besonders hohen Grundstückskosten nicht ausreichend berücksichtigten. Eine längere Asylverfahrensdauer, etwa wegen Personalmangels bei Bund und Land, sei von den Kommunen zwar nicht zu beeinflussen, aber zu finanzieren, sagte Finanzbürgermeister Föll. Der Eigenanteil pro Jahr beläuft sich auf etwa 15 Millionen Euro.