Stuttgart-Zuffenhausen - Vier Stunden ist am Dienstagabend im Bürgerhaus (zunächst bei einer Informationsveranstaltung, anschließend im Rahmen einer Bezirksbeiratssitzung) darüber informiert und diskutiert worden, ob auf der Schlotwiese fünf Systembauten für 396 Flüchtlinge gebaut werden sollen. Dabei schlugen zeitweise die Wellen sehr hoch. Ein eindeutiges Ergebnis kam allerdings nicht heraus: Mehrheitlich stimmten die Zuffenhäuser Bezirksbeiräte für einen Antrag von Karl Reif aus der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus, sich zunächst nicht für oder gegen einen Standort auszusprechen. Stattdessen wollen die Beiräte warten, bis die Stadt mit den Eigentümern zweier Nachbargrundstücke an der Ecke Frankenstraße/Ludwigsburger Straße verhandelt hat. Dort könnten eventuell vier Systembauten errichtet werden – dann müssten auf der Schlotwiese keine fünf Unterkünfte gebaut werden.

 

Eines wurde am Dienstagabend klar: Ein Großteil der Zuffenhäuser lehnt es ab, dass auf der Schlotwiese fünf Asylunterkünfte gebaut werden. In einer teilweise hitzig geführten Debatte nutzten Bürger immer wieder die Gelegenheit, ihrem Unmut Luft zu machen. Nicht immer ging es dabei konkret um den Standort der geplanten Unterkünfte, nicht immer wurde sachlich argumentiert. Der Aussage von Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle, die Flüchtlingsunterbringung sei eine gesetzliche Aufgabe, der man sich als Kommune stellen müsse, wollten einige der Besucher nicht folgen. Sie machten durch Zwischenrufe deutlich, dass sie – zurückhaltend formuliert – keine weiteren Asylbewerber aufnehmen wollen. Auch der Vortrag von Stefan Spatz, dem Leiter des Sozialamtes, stieß bei einigen auf taube Ohren. Spatz erläuterte unter anderem, dass man in Stuttgart für das Jahr 2016 mit 600 Flüchtlingen pro Monat rechne, dass es in der Landeshauptstadt momentan 104 Unterkünfte in 21 Bezirken gebe und dass die meisten Asylsuchenden aus Syrien, den Balkanstaaten, dem Irak und aus Afghanistan kämen.

Konkret auf die Standortfrage ging der Erste Bürgermeister Michael Föll ein. „Wir haben ihre Kritik wahrgenommen“, sagte er in Richtung der Zuhörer und bekam einigen Applaus. Der sich sogleich in höhnisches Gelächter verwandelte, als er davon sprach, dass im Fall der Schlotwiese nur befristete Bauanträge gestellt werden könnten (fünf Jahre plus weitere fünf Jahre als Option), da es sich um ein Landschaftsschutzgebiet handle. „Wir prüfen Alternativvorschläge ergebnisoffen“, kündigte Föll an und ging auf mehr als zwei Dutzend solcher Vorschläge ein. Fast alle schloss er als mögliche Unterkünfte aus. Zu klein, nicht genehmigungsfähig, nicht sinnvoll, nicht verfügbar, künftiges Wohnbaugebiet; so lauteten in den meisten Fällen die Gegenargumente der Stadtverwaltung. Immerhin gibt es laut Föll auch einige Areale, auf denen Systembauten denkbar wären. Dazu zählen ein Grundstück an der Pliensäckerstraße, ein Areal an der Neckarsulmer Straße, ein Standort an der Schützenbühlstraße/Salzwiesenstraße, der Parkplatz neben der Schlotwiese (vorgesehen für eine Ballspielhalle) sowie ein Teil des Zuffenhäuser Festplatzes.

Mehr als 300 Leute sind gekommen

Als Favorit kristallisieren sich jedoch die beiden Grundstücke an der Ecke Frankenstraße/Ludwigsburger Straße heraus. Auf dem zusammen 5000 Quadratmeter großen Gelände könnten insgesamt vier Systembauten Platz finden. „Die Situation ist nicht ganz einfach“, gab Föll aber zu bedenken. Einer der Eigentümer habe eigentlich schon abgewunken. Er besitze auch Immobilien in der unmittelbaren Nachbarschaft. Wegen deren Mietern sei eine Flüchtlingsunterbringung schwierig. Beim anderen Grundstück gebe es diffizile Eigentumsverhältnisse mit verschiedenen Interessen. Dennoch wolle die Stadt weiter verhandeln. Dafür brauche man aber Zeit. Mit einem Ergebnis sei Ende März/Anfang April zu rechnen. Allerdings: „Das Ergebnis kann positiv oder negativ sein.“

Im Anschluss an seinen Vortrag bekam Föll gleich zwei Unterschriftenlisten in die Hand gedrückt. Eine davon, und zwar mit 934 Namen, übergab Hans Heppner, Vorstandsmitglied des SSV Zuffenhausen. 252 Unterschriften gegen Asylunterkünfte auf der Schlotwiese hatte die CDU gesammelt, übergeben wurde die Liste vom Landtagsabgeordneten Reinhard Löffler. „Es muss in Zuffenhausen bessere Lösungen geben“, sagte Heppner. Die Bedenken der Menschen müsse man ernst nehmen. Ähnlich äußerte sich Michael Schlecht, ehemaliger Vorsitzender des Jugendfarmvereins. Wenn eine Standortfrage eine derartige Resonanz auslöse, dann sei es wohl der falsche Standort. Auch Anna Linder vom Flüchtlingsfreundeskreis Waldheim Schlotwiese äußerte Bedenken gegen das Vorhaben. Es sei nicht richtig, 400 Menschen an einem Standort unterzubringen. Grundsätzlich klar ist für Linder: „Flüchtlinge sind in Zuffenhausen willkommen.“ Dirk Hünninghaus, der Vorsitzende der Kleingartenanlage Schlotwiese, forderte die Stadt auf, den Standort zu überdenken, Bedenken dagegen seien vorausschaubar gewesen. Man dürfe den Bogen der Hilfsbereitschaft nicht überspannen.

Nach einer kurzen Umbaupause ging der Infoabend in eine Bezirksbeiratssitzung über. Der große Saal des Bürgerhauses hatte sich da schon deutlich geleert. War er während der Infoveranstaltung mit 270 Personen voll besetzt (eine Etage tiefer war zusätzlich ein Zimmer eingerichtet worden, in dem der Ton übertragen wurde und in dem gut 30 Leute Platz fanden), so wollten nur noch circa 50 Zuhörer die Sitzung verfolgen. Zunächst berichtete Volker Kehl, der Leiter des Zuffenhäuser Polizeireviers: Vom 1. Juli 2015 bis 14. Februar 2016 hätten seine Beamte 48 Einsätze in den Flüchtlingsunterkünften gehabt, bei 17 davon habe es sich um Straftaten gehandelt. „Wir nehmen Ängste Ernst“, sagte Kehl und betonte, die Polizei sei in der Lage, zu reagieren. In der anschließenden Diskussion nahmen alle Fraktionen nochmals Stellung. Zwar gab es auch hier Meinungsverschiedenheiten, letztendlich war man sich aber einig, dass die Schlotwiese der falsche Standort für fünf Systembauten sei. Dies wollte die CDU-Fraktion auch gleich beschließen lassen. Aufgrund der Geschäftsordnung wurde aber ein weiterführender Antrag zuerst behandelt: Karl Reif aus der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke/Plus beantragte, dass erst über den Standort abgestimmt werden solle, wenn die Verhandlungsergebnisse für das Grundstück Frankenstraße/Ludwigsburger Straße vorlägen. Mehrheitlich (9 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen, eine Enthaltung) nahmen die Beiräte diesen Antrag an.

Einen Kommentar zu dem Thema finden Sie hier.