Ihre Flucht hat ihr Leben verändert. Seit die Asylbewerber beim TSV Heumaden mitkicken dürfen, sind sie ein kleines bisschen mehr in der deutschen Realität angekommen. Sie haben eine eigene Mannschaft gegründet.

Sillenbuch - Abdullay Ceesay wischt sich nach dem Training den Schweiß von der Stirn. Eine Dunstglocke mit schwüler Hitze hängt über Heumaden. Ein Wetter, das einlädt, in einem Gartenstuhl Platz zu nehmen und sich der Trägheit hinzugeben. Der Gedanke an sportliche Betätigung liegt dagegen so fern wie der Griff zum Winterpulli. Der Gambier Abdullay Ceesay in seinem blauen Fußballtrikot sieht das offensichtlich anders.

 

Nach der Flucht war es mit dem Hobby erst mal vorbei

Er sei einfach nur froh, dass er die Möglichkeit habe, seinem Sport nachzugehen, sagt er. „Ich habe seit meiner Kindheit Fußball gespielt. Dann kam die Flucht, und plötzlich war es damit vorbei“, sagt er. Sein sehnsüchtiger Blick verrät, dass ihm die Schwüle egal ist, wahrscheinlich würde er sogar Lust haben zu spielen, wenn es in Strömen regnet.

Ceesay war von Anfang an dabei, als sich im vergangenen Februar die Fußballbegeisterten aus der Flüchtlingsunterkunft zu einem Team zusammengeschlossen haben. Die „Free Boarders“ nennen sie sich. Doch Ceesay kickt seit einiger Zeit auch als reguläres Mitglied beim Turn- und Sportverein Heumaden mit.

Bisschen Deutsch, bisschen Englisch, bisschen Fußballerisch

Er selbst habe nachgefragt, ob der Verein ihn aufnehme, sagt er, und wenig später stand er mit den Fußballspielern aus Heumaden auf dem Rasen. Wie das funktioniert mit der Kommunikation? Ceesay zuckt mit den Schultern. Ein bisschen Deutsch, ein bisschen Englisch und sehr viel Fußballsprache. Die folgt bekanntlich den Regeln des Weltfußballvereins FIFA, die in Gambia so gültig sind wie in Deutschland. Wichtiger ist Abdullay Ceesay, was ihm ohne Worte von den Deutschen vermittelt wird: Er gehört dazu.

Im Februar trainierte Ceesay mit seinen Mitspielern noch vor der Flüchtlingsunterkunft. Es muss eine ziemlich matschige Angelegenheit gewesen sein, denn die Spieler signalisierten Uemit Kepenek von der Hausleitung, dass an dieser Stelle ein Spiel unmöglich sei, das mehr sein will als eine üble Kickerei. Uemit Kepenek fand in der Nähe des Heims einen Bolzplatz, auf dem eine anständige Fußballpartie halbwegs möglich erschien.

Anfangs machte sich der Platzwart Sorgen um den Rasen

Doch Ariane Müller-Ressing vom Sillenbucher Arbeitskreis Flüchtlinge fand auch diese Lösung unbefriedigend. Sie hatte eine andere Idee: Wie wäre es denn, wenn Flüchtlinge und Einheimische einfach auf demselben Platz spielen und vielleicht eines Tages gemeinsam? Das fragte sie sich. „Ich habe den TSV angesprochen, und sie waren nicht abgeneigt.“

Dietmar Honold, der Platzwart des TSV, gibt zu, dass er anfangs Bedenken hatte, weil er sich Sorgen um das Grün auf dem Platz gemacht hat, wenn auch noch Auswärtige darauf spielen. Aber der Verein habe sich entscheiden, den Gästen den Platz zur Verfügung zu stellen. „Für mich ist es in Ordnung, so lange sich alle an die Regeln halten“, sagt Honold.

Der TSV Heumaden profitiert von der Leidenschaft

Ariane-Müller Ressings Vision von einer schrittweisen Integration der Flüchtlinge in die Strukturen des TSV Heumaden hat derweil bereits begonnen. Neben dem Gambier Abdullay Ceesay gibt es weitere Flüchtlinge, die künftig im Heumadener Verein mitspielen wollen.

Der Verein kann von der Leidenschaft profitieren, die Felix Manz auf dem Platz beobachtet. Der 17-Jährige ist Mitglied im Arbeitskreis Flüchtlinge. Er hat mittlerweile eine Schiedsrichterausbildung beendet, um die fußballspielenden Flüchtlinge zu unterstützen. „Das Spiel ist den Flüchtlingen wirklich wichtig, das nehmen sie sehr ernst“, sagt Manz.

Für Uemit Kepenek hat das zum einen damit zu tun, dass Flüchtlinge darunter leiden, dass sie zum Nichtstun und Warten auf einen Asylbescheid verdammt sind. Zum anderen helfe der Sport für einige Zeit, Abstand zu nehmen von der Flucht und dem, was ihr vorausging, sagt er.

Ein Stück deutsche Normalität

Die Hilfe des TSV Heumaden und die Möglichkeit, sich in den Verein selbst einzubringen und damit ein Stück weit in der deutschen Normalität anzukommen, sei ein weiterer Anreiz, sagt Kepenek. „Wenn der Asylantrag dann negativ beschieden wird, nehmen sie das mit“, sagt Kepenek.

Letztlich dürfte die Flüchtlinge auch die Erkenntnis beruhigen, dass in Deutschland der Ball so rund ist wie in ihrer alten Heimat. Abdullay Ceesay bleibt auch in Heumaden das, was er schon in Gambia auf dem Fußballplatz gewesen ist: ein Verteidiger. Und er ist auch beim TSV Heumaden Teil einer Gruppe, die gemeinsam für den Fußball brennt. Wenigstens das hat sich für ihn nicht verändert.